Alfons Evers - Vita
Geboren am 9. Juli 1918 in der Großstadt Amsterdam, erlebte ich meine Kindheit in einer Etagenwohnung in der Stadtmitte. Die einzige Berührung mit der Natur war ein großer Balkon, welcher von meinem Vater üppig mit Pelagonien, Lobelien, Tagetes usw. geschmückt war. Auf den Blumen trafen regelmäßig Schmetterlinge und Schwebfliegen ein. Sie erregten nicht nur meine Aufmerksamkeit, sondern auch den Wunsch, sie zu fangen und näher zu betrachten. So nadelte ich mit Stecknadeln aus Mutters Nähkasten mit 6 Jahren die ersten Insekten. 

Einige Jahr später zogen wir um. Wir blieben zwar in der Stadtmitte, aber jetzt wohnten wir in einer Parterre-Wohnung mit einem kleinen Garten. Hier fing ich die ersten Stücke des Carabus nemoralis Müll., Bembidion ustulatum L., Notiophilus biguttus F., gewöhnliche Tiere, aber für mich ein wertvoller Besitz. Mit 10 Jahren hatte meine Sammlung bereits einen Umfang von etwa 200 Arten erreicht, alle aus Amsterdam. Da ich die Käfer meiner Umgebung bald kannte, fing ich mit einem Herbar und später noch mit einer Mollusken-Sammlung an. Dann bescherte mir ein glücklicher Zufall noch eine große Anzahl von Doubletten einer Petrefakten-Sammlung. Das Herbar verschenkte ich mit über 1000 Arten als ich 20 Jahre alt wurde. Ungefähr zur gleichen Zeit habe ich auch Mollusken- und Petrefaktensammlung an andere Naturfreund abgegeben. 

Mit fast 11 Jahren schickte mein Vater mich auf das humanistische Gymnasium der Jesuiten. Trotz des großen Zeitaufwandes in einer sechstägigen Ganztagsschule für Latein, Griechisch, Französisch, Deutsch, Englisch, Niederländisch, Mathematik, Naturwissenschaften sowie in den Nebenfächern, fand ich immer wieder Zeit für meine Sammelleidenschaft. Meine polyglotte Veranlagung wurde in dieser Zeit entscheidend gefördert. Nur Hebräisch habe ich, da fakultativ, nicht belegt. Mein Lieblingsfach war aber die Biologie. Meine Lehrer verstanden es, nicht nur meine Sammelleidenschaft zu fördern und zu lenken, sie brachten vor allem durch den Unterricht System ins Ganze. Einer meiner Lehrer war der Jesuitenpater Ferdinand Willemse, der mit seinem Bruder, dem bekannten Ortopterologen Cornelis Willemse, bekannt machte. Diese Bekanntschaft führte zu meinen ersten Exkursionen nach Süd-Limburg, wo Cornelius Willemse wohnte. 

13 Jahre war ich alt, als ich die meine ersten Schritte in die vielen Antiquariate Amsterdams legte. Das erste Buch, das ich erstand, war Calwers Käferbuch, in der vierten Auflage von Stierlin. Jetzt konnte ich das erste Mal determinieren und war nicht mehr auf Schul-Biologiebücher angewiesen. Seit etwa einem Jahr machte ich jeden Sonntag Exkursionen auf den niederländischen Nationalfahrzeug: dem Fahrrad. Sie führten mich an alle interessanten Fundort in einem Umkreis von etwa 30 km. Ein umfangreiches Material wurde so zusammengetragen. Bereits damals stellte sich heraus, daß meine Vorliebe den Käfern galt, obwohl ich ebenfalls fleißig botanisierte und Mollusken sammelte. 

Der Besitz des "Calwers" und meinen ersten Bestimmungen führten zu meiner ersten "Veröffentlichung". Sie war falsch, aber hatte für mich ein entscheidendes Resultat. Bei Hilversum fing ich einige Exemplare von Nudobius lentus Grav., ein Tier was mit "Calvers" nicht zu bestimmen ist und somit prompt falsch bestimmt wurde. Wie ich damals bestimmt habe, habe ich leider vergessen. Sonderdrucke habe ich von dieser vielleicht 10-zeiligen "Arbeit" nicht erhalten. Jedenfalls sandte ich mein "Ergebnis" an die Naturliebhaberzeitschrift "De levende Natuur". Kaum eine Woche später erhielt ich einen Brief des führenden niederländischen Koleopterologen Piet von de Wiel, der die Stücke gerne sehen möchte, denn die von mir genannte Art wäre neu für die niederländische Fauna. Mit Herzklopfen machte ich, 15-jährig, an einem Sonntag meinen Besuch beim Käferpapst. Mit einem Blick durch die Lupe war der Irrtum aufgeklärt. Erfreut war ich doch zu hören, das die Art für die Umgebung von Amsterdam neu und auch sonst in den Nierlandeselten war. Viel wichtiger war aber das Angebot der Herrn van der Wiel, mir beim Bestimmen zu helfen. Er brachte mir den ersten Schliff bei. Aus einer fehlerhaften Bestimmung entstand allmählich eine innige Freundschaft, die bis zu seinem Ableben (1962) ungetrübt gedauert hat. 

Unter der Leitung des Herrn van der Wiel, der mir viele Doubletten seiner Sammlung schenkte, und durch lebhafte Sammeltätigkeit wuchs meine Sammlung jetzt rasch. Stolz war ich, als ich Bledius diota Schiödte als neue Art für die Niederlande entdeckte. Gleichzeitig wurde ich mit 15 Jahren Aspirant-Mitglied der "Nederlandsche Entomologischen Vereeniging". Eine Welt ging vor mir auf. Ich mußte warten bis ich 18 Jahre alt war, um ordentliches Mitglied werden zu können. Mit 23 Jahren ließ ich mich nach Bezahlung des hierfür festgesetzten Betrages als Mitglied auf Lebenszeit einschreiben. 

Nach Abschluß des Gymnasiums ergriff ich 19-jährug den Beruf des Verlegers und Buchhändlers. Die Mittel, die mein Vater zur Verfügung stellen konnte, reichten leider nicht aus für ein Universitätsstudium (Bafög war noch nicht erfunden!). Ich wollte deswegen mein Studium selbst verdienen. Einige Jahre später war ich im Besitz der erforderliche Diplome für Buchhandel, Verlag und Antiquariat. Inzwischen war der zweite Weltkrieg ausgebrochen und meine Heimat wurde besetzt. An ein Studium war jetzt aus verschiedenen Gründen nicht zu denken. Ich blieb zunächst bei meinem Beruf und baute während des Krieges in Amsterdam ein bescheidenes Antiquariat auf. In diesen Jahren verfaßte ich die niederländische Bearbeitung von Wagner's "Taschenbuch der Käfer", sowie ein kleines Buch über die niederländischen Insekten. 

Meine antiquarische Tätigkeit harmonisierte außerordentlich mit meiner Sammelleidenschaft sowie mit meiner Neigung zur Bibliophilie. Meine Bibliothek wuchs mit meiner Sammlung, die inzwischen auf die Käfer die Niederlande ausgeweitet war. Dann kam das Jahr 1943, in dem ich aus politischen Gründen untertauchen mußte. Meine Arbeit wurde hierdurch gelähmt, und ich sann nach Mitteln und Wege, hierfür eine Lösung zu finden. Die Herren Prof. Dr. J.C. de Meijere, Dr. D. Mac Gillavry, D.L. Uyttenboogaert und J.B. Corporaal haben mir durch Empfehlungsschreiben sehr geholfen, in Deutschland unterzutauchen. Die Annahme, daß man mich wohl nicht in Deutschland suchen würde, war richtig. Unter vielen Zusagen, die ich erhielt, wählte ich schließlich den Verlag Hans Goecke in Krefeld, da diese Stadt nur 30 km von der Grenze entfernt war und ich selbstverständlich vorhatte, nach dem Kriegsende sofort in meine Heimat zurückzukehren. So kam ich nicht nach München (Frey) oder Berlin (DEI), wo ich auch hätten anfangen können. Dann kam es anders als geplant ! In Krefeld lernte ich meine zukünftige Frau, Lotte Goecke, kennen. Durch eine Mischung von geschäftlichen und entomologischen Interessen bin ich in Krefeld geblieben. Hier interessierte mich ich mich selbstverständlich sehr für den Hans Goecke Verlag, in den ich 1944 als Teilhaber eintrat. Durch die Herausgabe der einzigen deutschen Käferzeitschrift, die "Entomologischen Blätter" (seit 1904), ist der Verlag, der in Goecke & Evers umbenannt wurde, überall in der entomologischen Welt gut bekannt. Die vielen Arbeiten, die in der Nachkriegszeit auf mich zukamen, verhinderte abermals, daß ich mit dem Studium anfing. Später fand ich überhaupt keine Zeit mehr dazu. 

Da ich meine Sammlung 1943 in Amsterdam zurücklassen mußte, sah ich mich sofort nach einer neuen entomologischen Betätigung um. Ich war jetzt soweit, daß ich den Wunsch hegte, mich zu spezialisieren. Nach langen Überlegung, weil viele Familien mir zusagten, wählte ich die Malachiidae. Zuerst, weil ich diese Familie immer sehr gern hatte, zweitens, weil in dieser Familie viel zu tun war. Meine erste Beschäftigung mit den Malachiidae war die Untersuchung der merkwürdigen "Anhänge" an den Flügeldecken von Axinotarsus pulicarius F..1944 konnte ich die Funktion dieser Organe, die ich später Excitatoren nannte, nachweisen. 

Grundstock meiner Sammlung wurde Material, daß ich bei deutschen und österreichischen Händlern während des Krieges kaufen konnte. Dann schenkte mir der leider zu früh verstorbene Lamellicornier-Sammler Dechant Paul Müller aus Krefeld die Malachiiden seiner allgemeinen Sammlung. Da mir das jedoch nicht genügte, schrieb ich an alle deutschen Koleopterologen, daß ich angefangen hatte, mich auf die Malachiidae zu spezialisieren und bat gleichzeitig um Material. Ich erhielt viele Bestimmungssendungen. Aus den Doubletten wuchs meine Sammlung. 

Als der Krieg zu Ende war, bat ich die großen deutschen Museen, mit Material zur Überprüfung zu überlassen. Viel habe ich aus diesem Material gelernt, und vieles durfte ich für meine Sammlung behalten. Mit meiner Sammlung wuchs meine Bibliothek. Die Literatur wurde schneller komplett als seine Sammlung! Durch die starke Inanspruchnahme in einem Familienbetrieb (Stahlbau) mußte ich meine entomologische Tätigkeit in den Jahren 1952-1959 leider einschränken. 

Im Jahre 1959 bekam ich Quittung in der Form eines Nervenzusammenbruches: die Gelegenheit, in Gestalt eines Erholungsurlaubes, eine Reise nach den Kanarischen Inseln - wovon ich schon immer geträumt hatte - zu unternehmen. Diese Reise wurde entscheidend für eine erneute lebhafte entomologische Tätigkeit. Ihr folgte 1960 eine zweite Reise. Die gezielte Sammeltätigkeit auf diesen Inseln hatte einen guten Erfolg: insgesamt 13 neue Arten wurden beschrieben. Es war der Nachweis, daß der sammelnde Spezialist durch seine Kenntnis der Biologie seiner Gruppe mehr findet als die Entomologen, die alles sammeln. 

Die auf den Kanarischen Inseln gewonnenen Erkenntnisse waren der Grund für den Entschluß, im Jahre 1962 eine Forschungsreise nach Süd-Marokko, dem Anti-Atlas, Ifni und dem nördlichen Teil von Rio de Oro zu planen, um festzustellen, ob vielleicht doch Bindeglieder zwischen dem Kontinent und der endemischen Fauna der Kanaren gibt. Die Reise wurde mit dem bekannten Atlantidenforscher Prof. Dr. Hakan Lindberg und dessen Assistenten Martin Meinander gemeinsam gemacht. Die Reise war, wie erhofft, erfolgreich: eine Malachide wurde gefunden, die sowohl auf den Kanaren, als auch auf dem Kontinent vorkommt. Außerdem wurde eine neue Gattung und 7 neue Arten in der West-Sahara entdeckt. 

Dann ging es 1962 in Begleitung des Lepidopterologen Karl Stamm aus Düsseldorf wieder nach den Kanaren. Jetzt wurden besonders die westlichen Inseln besucht. Es wurde wieder eine Reihe neuer Arten festgestellt. 

Das Sammeln auf den Kanaren und in Marokko führte zum Erkennen des Problems der biogeographischen Zusammenhänge zwischen dem Kontinent und den atlantischen Inseln. Um dieses Problem lösen zu können, wurde mir alsbald klar, daß es von mehreren Seiten angefaßt werden mußte. So entstanden gemeinsame Reisen mit Dr. Richard zur Strassen (Thysanoptera); Dr. Peter Rothe (Geologie) und wieder Prof. Dr. Hakan Lindberg nach den Ost-Kanaren im Jahre 1963 sowie nach Gran Canaria und Tenerife mit Dr. zur Strassen und Dr. Rothe im Jahre 1964. Währen der Reise-1963 fand Dr. Rothe die inzwischen berühmt gewordenen fossilen Straußeneier aus dem Tertiär auf Lazarote: der erste Beweis für einen Koninentalzusammenhang. 

In 1965 fuhr ich zum zweiten Mal nach Süd-Marokko in die West-Sahara gegenüber den Kanarischen Inseln. Außer Dr. zur Strassen und Dr. Rothe nahmen weiter teil: Dr. Albert Hohenester (Geobotanik) und Dr. Konrad Klemmer (Herpetologie):. Das mitgebrachte Material dieser Reise war außerordentlich reich. 

Es folgten jetzt weitere Reisen in den makronesischen Raum: 1966 Kanaren, 1967 Kanaren und Madaira, 1968 Kanaren, 1971 Marokko, 1972 Kanaren, 1973 Kanaren. Unser Arbeitsteam war erweitert worden mit Dr. Erich Kirchberg (Diptera), Dr. Peter Ohm (Neuroptera); Dr. Ingrid Müller-Liebenau (Ephemeroptera), Prof. Dr. Reinhard Remane (Homoptera-Heteroptera); Dr. Dieter Sturhan (Nematoden) und Dr. Wim Backhuys (Mollusca). Die Mitarbeiter erhielten eine Unterstützung von der DFG, später auch der Thyssen-Stiftung und der TNO (Niederlande). 

Auf der Reise in 1966 erreichte mich ein bitteres Schicksal: auf der Insel Hierro spritzte der Saft von Euphorbia canariensis mit hohen Druck voll in beide Augen. Ich war sofort durch totale Hornhautverätzung erblindet. Der Heilungsprozess dauerte 6 Monate. 

Als 1974 meine Frau, Lotte Evers geb. Goecke, plötzlich verstarb, mußte ich meine Reisetätigkeit einstellen, da ich mich jetzt allein um den Verlag Goecke & Evers kümmern mußte. 

Seit 1964 verlangte Goecke & Evers immer mehr Einsatz. Es entstanden große Projekte: Freude, Harde, Lohse, "Die Käfer Mitteleuropas", das 1983 mit 11 Bänden fertig wurde. Prof. Dr. H.W. Koepke, "Die Lebensformen" (2 Bände), Prof. Dr. Gorst Aspöck - Dr. Ulrike Aspöck, "Die Neuropteren Europas " (2 Bände), Dr. Adolf Horion, "Opera coleopterologica et periodicis collata", Prof. Dr. Ferdinand Schmidt, "Grundzüge der kybernetische Evolution - eine neue Evolutionstheorie", Prof. Dr. Horst Aspöck - Dr. Ulrike Aspöck - Hubert Rausch, "Raphidiopteren der Erde" (2 Bände). 

Gleichzeitig "liefen" die "Entomologischen Blätter" weiter. Inzwischen erreichten sie den 90. Jahrgang. 50 Bände davon (41. - 90. Jahrgang) entstanden unter meiner Ägide. 

Dann wurde das Konzept von Freude-Harde-Lohse erweitert. Die ursprüngliche Planung (11 Bände) wurde erheblich überschritten. Prof. Dr. Bernhard Klausnitzer übernahm die "Die Larven der Käfer Mitteleuropas" (ca. 4 Bände): Dr. Klaus Koch übernahm die "Ökologie der Käfer Mitteleuropas (ca. 8 Bände). Wilhelm Lucht übernahm den "Katalog der Käfer Mitteleuropas" MIT faunistischen Angaben und erstmalig mit einer alpha-numerischen Codierung. Dr. Dr. G.A. Lohse übernahm mit Unterstützung von Wilhelm Lucht die notwendigen Nachträge zum Grundwerk (4 Bände). Inzwischen ist das Werk auf 20 Bände angewachsen - hochgerechnet werden es fast 30 Bände werden. 

Bei allen großen Werken war es immer mein Bestreben, Standardwerke herauszubringen, die etwa für ein Jahrhundert gedacht sind. Es wurden den Autoren daher keinerlei Vorschriften oder sogar Beschränkungen auferlegt - im Gegenteil: jeder Wunsch wurde erfüllt, und wenn er noch so teuer war. Die Monographien wurden dadurch nicht gerade billig in der Anschaffung, aber für eine Nutzzeit von etwa 100 Jahren war der Preis sicherlich zu verkraften. Die Finanzierung aller dieser kostenintensiven Unternehmungen fiel mir nicht sehr schwer, da mir aus meiner industriellen Tätigkeit genügend Mittel zum Durchhalten zugeflossen waren. 

Seit 1980 folgte ich dem innerlichen "Trieb", Gesammtzuzsammenhänge durch Reisen in entomologisch interessante Gebiete zu unternehmen. Ich reiste nach Japan und Indonesien. Die nächste Reise führte mich zu den Galápagos-Inseln. Dan waren der Hawaii-Archipel das Ziel und anschließend die Gesellschafts-Inseln (Tahiti): Dann folgte Florida mit den Everglades. Anschließend ging es nach Süd-Afrika (Victoria-Fälle, Krüger-Nationalpark, Etoscha). 

Am 2. September 1966 verstarb der langjährige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen: Karl Hoch. Da sich zu diesem Zeitpunkt niemand gefunden wurde, der bereit war das Amt zu übernehmen, habe ich mich hierzu bereit erklärt. Es wurden 14 Jahre bis Dr. Klaus Koch mich in diesem Amt ablöste. 

Meine Tätigkeit in der Entomologie führte zwangsläufig dazu daß mein "Bekanntheitsgrad" wuchs. 1982 wurde ich in Anerkennung meiner wissentlicher und kulturellen Leistungen mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnet. 

Am 14. Juni 1985 wurde mir von der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie die Fabricius-Medaille verliehen. In der Begründung für die Verleihung stand: in Würdigung seines entomologischen Lebenswerkes, insbesondere auf den Gebiet der Coleopteren und als großzügiger Förderer der entomologischen Wissenschaft. 

Während aller meines Tätigkeiten wuchs das naturwissentschaftlich Antiquariat Goecke & Evers unaufhaltsam. Alljährlich erschien ein Antiquariatskatalog mit 7000-8000 Titeln. Dieser Katalog wurde an 4000 Wissenschaftler in aller Welt verschickt. Die Folge war, daß weltweit kein Institut, Museum oder Bibliothek gibt, daß Goecke & Evers nicht kennt bzw. sich in Krefeld mit Literatur "eindeckte". So entstand ein Literaturstrom nach etwa 40 Ländern in allen Erdteilen. Umgekehrt kauften wir in diesen Ländern wieder ein: der Literaturstrom war also keine Einbahnstraße. Vielmehr war Krefeld das Zentrum einer ständigen Umverteilung wissenschaftlicher Literatur. Im Jahr 1984 habe ich das Antiquariat in jüngere Hände gelegt. Mein Nachfolger, Erich Bauer, ist ebenfalls Entomologe. Sein "Vorteil" ist, daß er 32 Jahre jung war, als er die Firma übernahm. Durch diese Maßnahme wurde nach menschlichen Ermessen sichergestellt, daß das Antiquariat Goecke & Evers für eine weitere Generation seine Dienste für die biologische Wissenschaften leisten kann. 

"Credere semper cogitare levior" war der Wahlspruch meines Lebens. Wenn das Wissen an seine Grenzen stößt, bleiben immer zwei Möglichkeiten. Entweder glauben wir, was andere und glauben machen wollen, oder forschen und selber nachdenken. Für mich war letztere Alternative lebensbestimmend. Neue Wege waren mir immer wichtiger als alte Trampelpfade. Der Glaube war mir stets suspekt, da er fast immer von der Manipulation durch andere begleitet wird. Deswegen zog es mich immer nach neuen Fakten und Erklärungen. Den Glauben überließ ich den Leichtgläubigen. Per exclusonem blieb mir eine atheistische Grundhaltung. Ein streng katholisches Elternhaus und eine jesuitische Erziehung konnte diese Entwicklung nicht beeinflussen. 

Aus dieser Einstellung entstand eine ausgesprochenen Hochachtung für Andersdenkende. Toleranz und Liberalität, Erziehungsideale meiner Heimat, halfen mir dabei.. Jeden, der zu meiner Zeit neue Wege beschritt, habe ich bewundert. Männer wie Huxley, Mayr, Remane, Hennig, Rensch, Stammer, Monod und Watson waren meine Vorbilder. Ich habe ihre Schriften alle kritisch gelesen - nicht immer zustimmend. Als Verleger blieb ich dieser Linie treu. Gerne betreute ich Manuskripte, die neue Gedanken introduzierten, wie Koepckes "Lebensformen" sowie seine "Möglichen Lebensformen auf anderen Planeten" oder Schmidt's "Grundlagen der kyberrnetischen Evolution". 

Aber auch grundlegende neue Aspekte in der Systematik faszinierten mich. So gelang es "Die Käfer Mitteleuropas" nach der Neufassung der traditionellen Imaginalmophologie um die Ökologie und die Larvalsystematik zu erweitern. Grundlegend war der Gedanke, daß alle vererbbaren Eigenschaften einen hohen systematischen Wert haben, nicht nur die morphologischen, die bis in unsere Tage bevorzugt wurden. Wenn andere Autoren ähnlich dachten, habe ich immer bei der verlegerischen Realisierung ihrer Gedanken geholfen. So entstanden die großen Monographien der Aspöck's "Die Neuropteren Europas" und "Die Raphidiopteren der Welt", deren verlegerischen Begleitung mir viel Freude bereitete. 

Wenn ich an die Grenzen des mit naturwissenschaftlichen Mitteln Beweisbartes gelang, führte das Nachdenken über mögliche Erklärungen stets zu theoretischen Überlegungen. Neue Erklärungen und neue Methoden, aber das Einsteigen in Gebiete, die bisher vernachlässigt wurden, waren meine Leidenschaft. Ich haben immer gerne theoretisiert, aber ach stets versucht, zukünftige Entwicklungen auf Grund sich abzeichnender neuer Parameter vorauszuahnen. Meine liberal-konservative Grundhaltung hat mich nie daran gehindert, Überholtes aufzugeben und Neues zu versuchen. Antizyklisches Handeln wurde mir zu Gewohnheit. In neue Entwicklungen einzusteigen und aus überholten Strukturen auszusteigen, bevor alle andere das gleich taten, wurde mir zur Gepflogenheit. Meine Umgebung hat dies nicht immer verstanden. Oft mußte ich mir Bemerkungen anhören, wie "das schaffst Du nie": Als ich aber Erfolg hatte, verstummten die Kritiker nach und nach. Das mein Leben erfolgreich war, ist weniger dem Glück, sondern den Erkennen und Ausnutzen neuer Entwicklungen zu verdanken. 

Krefeld, 1993

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