Eine davon ist die nach der evolutiv
entstandenen Vielfalt in Bau und Funktion der diversen Organe dieser Tiere,
die oft nur durch Erforschung der Verschiedenheiten in der Lebensweise
und dem Verhalten zwischen den einzelnen Arten verstanden werden können.
In manchen dieser Organsysteme und Verhaltensweisen erwiesen sich gerade
die zu den Malachiidae vereinten Käferarten als ausgesprochen vielseitig:
Erwähnt sei hier stellvertretend für andere das Paarungsverhalten.
Bei vielen Arten findet sich noch eine als ursprünglich
bzw. "altertümlich" zu wertende Verhaltensweise, bei der das Männchen
versucht, sich auf einem Weibchen, das er für eine Artgenossin hält,
nach Besteigen festzuklammern - es besitzt zu diesem Zweck an den Vorderfüflen
einen meist artspezifisch gebauten Klammerapparat.
Herr Evers entdeckte nun aber, daß mehrfach unabhängig
in der Evolution dieser Käfergruppe dieses Paarungsverhalten aufgegeben
wurde: die Männchen entwickelten stattdessen auf ihrer Haut Drüsenbezirke,
die ein Sekret produzieren, das sie den Weibchen zum Auflecken anbieten,
um sie offenbar damit paarungsbereit zu stimmen - diese Käfer haben
offenbar schon vor langer Zeit ihre Aphrodisiaka erfunden! Diese deshalb
"Excitatoren" genannten Drüsenbezirke sitzen je nach Art oder Artgruppe
an verschiedenen Stellen des männlichen Körpers: an der Spitze
der Vordertlügel ebenso wie an bestimmten Segmenten des Hinterleibes,
im Stirnbereich des Kopfes, an bestimmten Gliedern der Fühler, sogar
an den Beinen. Diese Excitatoren und deren Umgebung sind oft mit Gruben,
bizarren Fortsätzen und anderen Strukturen versehen, die meist artspezifische
Form und Anordnung haben. Weder die physiologische Wirkung der aufgenommenen
Excitatoren-Sekrete bei den Weibchen scheint bisher mit neuzeitlichen Methoden
untersucht worden zu sein noch die Frage, ob die chemische Zusammensetzung
dieser Sekreie artspezifisch und von Art zu Art verschieden ist und damit
den Weibchen ein Unterscheiden von arteigenen und artfremden Männchen
ermöglicht: hier scheint noch einiger Forschungsbedarf zu bestehen,
für den die insbesondere von Herrn Evers entdeckten Strukturen und
Verhaltensweisen die notwendige Ausgangsbasis liefern. Eines steht jetzt
schon fest: die Evolution hat hier statt des ursprünglich schnellen,
deshalb nur wenig störanralligen Paarungsverhattens komplizierte,
langandauernde und deshalb zweifellos störanralligere Balzrituale
hervorgebracht, die zweifellos "unökonomischer" sind als die vorherigen
- eine in ihrer theoretischen Bedeutung noch zu diskutierende Situation.
Für nur wenige Arten ist der genaue Ablauf dieser Balzrituale bereits
bekannt und dokumentiert - bei den meisten steht eine derartige Untersuchung
noch aus.
Eine weitere Frage von allgemeinerem Interesse ist die
ökologische Einnischung der Arten einer Verwandtschaftsgruppe - vor
allem dann, wenn mehrere Arten derselben Gruppe in demselben Gebiet leben
und sich daher gegenseitig bei zu geringer Verschiedenheit ihrer Ansprüche
Konkurrenz machen könnten. Auch auf diesem Gebiet hat Herr Evers durch
zahlreiche eigene Untersuchungen im Freiland wertvolle Beiträge geliefert.
Besonders reizvoll erscheint für einen sich mit Evolutionsvorgängen
beschäftigenden Biologen die Frage, auf welchem Weg es eigentlich
zur Aufspaltung der Populationen einer Stammart in zwei oder mehr Tochterarten
kommen kann: ist diese Aufspaltung das mehr oder weniger zufällige
Resultat einer so weitgehenden räumlichen Abtrennung von Populationen,
daß kein Individuenaustausch (und damit kein Genfluß) zwischen
ihnen mehr stattfinden kann? Oder kann eine solche Aufspaltung auch durch
Aufgabe des Genflusses zwischen am gleichen Ort lebenden Populationen erfolgen,
um unterschiedliche Anpassungen an unterschiedliche ökologische Situationen
"erwerben" zu können? Zur Untersuchung dieser Fragen sucht man sich
als Bearbeiter sinnvollerweise kleinere, gut abgrenzbare Gebiete mit einem
möglichst hohen Artenbestand aus: Für die Malachiiden und Herrn
Evers war das nächstgelegene derartige Gebiet das der Kanarischen
Inseln. Sie wurden im Laufe der Jahre - als ozeanisch-vulkanisch entstandene,
aber geohistorisch relativ alte, ökologisch sehr vielseitige Inselgruppe
- zu einem der Haupt-Untersuchungsgebiete von Herrn Evers: die Mehrzahl
der inzwischen von den Kanaren bekannten Malachiiden-Ayten wurde von ihm
entdeckt und beschrieben. Da er die Verallgemeinerungsfähigkeit seiner
Befunde hinsichtlich Artbildungsweise und Besiedlungsgeschichte der Malachiiden
auf den Kanaren und anderen ostmittelatlantischen Inselgruppen (Selvagens,
Madeira, Azoren) durch Untersuchungen an anderen Tier- und Pflanzengruppen
überprüfen und auch die geologische Geschichte dieser Inseln
möglichst genau kennen wollte, initiierte er Mitte der sechziger Jahre
die Bildung einer internationalen Arbeitsgruppe aus Geologen, Botanikern
und Zoologen: das 'Internationale Forschungsprojekt Makaronesischer Raum",
zu dem auch ich seit 1965 gehörte. In vielen Jahren
intensiver Zusammenarbeit bei Freilanduntersuchungen, Diskussionstreifs
und Vortragstagungen wurde eine neue Phase der Untersuchung nicht nur dieser
Inseigruppen, sondern auch der als Ausgangsgebiete für die Besiedelung
dieser Inseln in Frage kommenden Festlandsgebiete (Iberische Halbinsel,
Nordwestafrika) durchgeführt. Zahlreiche Publikationen spezieller
und auch allgemeiner Thematik entstanden und entstehen noch immer als Resultate
dieser Aktivitäten, die mehrfach durch Beihilfen der DFG oder der
Thyssen-Stiftung unterstützt wurden. Sie vermitteln nunmehr ein wesentlich
deutlicheres Bild von dem Ausmaß der Artbildung vieler Tiergruppen
auf diesen Inseln, aber auch von deren Beziehungen zu den benachbarten
Festlandsgebieten. Ohne die anspornen-den Aktivitäten von Herrn Evers
wären diese Ergebnisse wohL nicht erreicht worden, da die Untersuchungen
quasi in einem Wettlauf mit der weiträumigen Zerstörung vieler
noch halbwegs naturnaher Gebiete durch Tourismus, Entwässerung und
'moderne" Landwirtschaftsmethoden erfolgten und noch erfolgen: viele der
von unserer Gruppe noch untersuchten Lebensräume existieren inzwischen
leider nicht mehr, die sie besiedelnden Pflanzen- und Tierarten sind zumindest
dort vernichtet.
Nicht zuletzt interessiert einen Evolutionsbiologen der
historische Aspekt der vorgefundenen Artenschwärme: wie weit ist der
Ablauf ihrer Entstehung, sind ihre gegenseitigen Verwandtschaftsbeziehungen
rekonstruierbar? Nur selten existiert bei Gruppen derartig kleinwüchsiger
Arten eine nennenswerte Dokumentation durch Fossilien - meist bleibt nur
die Methode der wertenden Merkmalsanalyse bei den derzeit noch lebenden
Arten. Auch auf diesem Gebiet hat Herr Evers die einzigen bei den Malachiiden
existierenden methodengerechten Versuche unternommen: in mehreren Veröffentlichungen
diskutiert er die möglichen Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der
einzelnen Gruppen der Malachiiden und zu angrenzenden Gruppen: Alte Gruppierungen
werden, weil nicht den Verwandtschaftsverhältnissen entsprechend,
aufgelöst, neue Gattungen werden dafür errichtet.
Wie schon diese wenigen ausgewählten Beispiele zeigen,
hat Herr Evers nicht nur eine breit gefächerte, beispielhafte biologische
Forschung an den von ihm ausgewählten Tier-gruppen durchgeführt,
sondern wesentliche Beiträge zum Forschungsfortschritt in anderen
Bereichen geliefert. Seine Resultate konnten die Basis für zahlreiche
weitere Untersuchungen bilden, die teilweise nur in dafür adäquat
ausgerüsteten Forschungsinstituten durchführbar wären.
Bisher war ausschließlich von den eigenen Forschungen
von Herrn Evers und ihren hervorragenden Resultaten die Rede: nicht unerwähnt
aber dürfen seine "berufsnäheren" Aktivitäten bleiben -
haben doch gerade sie in erheblichem Maße zur Verbreitung biologischen
und zoologischen Wissens beigetragen.
Da wäre zum einen die von ihm seit 50 Jahren redigierte
(und seit rund 90 Jahren bestehende), in seinem Verlag erscheinende Fachzeitschrift
der "Entomologischen Blätter" zu nennen, die besonders der Publikation
von Forschungsergebnissen auf dem Gebiet der Käferkunde dient.
Wesentlicher scheint mir und anderen dagegen ein von ihm
initiiertes und verlegtes, inzwischen bereits zwanzigbändiges Werk
"Die Käfer Mitteleuropas". das erstmalig nicht nur Bestimmungstabellen,
Abbildungen und Beschreibungen der adulten Käfer aller im Gebiet lebender
Arten durch die für die einzelnen Gruppen vorhandenen Fachbearbeiter
bringt, sondern in Parallelreihen auch alle anderen als vererbbar anzunehmenden
Merkmale, wie die Ökologie, Ethologie sowie die Jugendstadien der
Käfer behandelt. Dieses Werk ist dadurch bereits jetzt ein unverzichtbares
Standardwerk für alle, die sich mit dieser Tiergruppe beschäftigen,
sei es im Naturschutz, bei ökologischen, ethologischen oder biogeographischen
Untersuchungen.
Aber auch das grundlegende Werk der "Analogien-Biologie",
das mehrbändige Werk von H.W. Koepcke "Die Lebensformen" wurde von
ihm verlegt - hinzu kommen ausgezeichnet ausgestattete, umfangreiche Monographien
anderer Insektengruppen, zum Beispiel über Netzflügler, über
die Raphidioptera der Welt und anderes mehr.
Dieser kleine Ausschnitt aus den wissenschaftlichen Aktivitäten
von Herrn Evers mag hier genügen - es ist mir daher eine große
Freude, Herrn Evers auf das herzlichste zur längst überfälligen
Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen durch die Verleihung der
Ehrendoktorwürde zu beglückwünschen und ihm noch viele weitere
Jahre erfolgreiches und ihm Freude bringendes wissenschaftliches und verlegerisches
Wirken zu wünschen!
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Der Vorstand der DGaaE gratuliert Herrn Dr. h.c. Alfons
M.J. Evers herzlich zu dieser hohen, wohlverdienten Ehrung durch die Universität
Marburg. Es sei hier daran erinnert, daß Herrn Dr. A.M.J. Evers 1985
die "Fabritius-Medaille" in Anbetracht seiner großen Verdienste um
die Entomologie verliehen wurde (Laudatio: Mitt. DGaaE 7: 1-5, 1989). Weiterhin
hat er die "Meigen-Medaille" ins Leben gerufen, erstmalig verliehen während
der Entomologentagung 1993 in Jena. Nicht zuletzt sei an seine Bemühungen
erinnert, zusammen mit der DGaaE ein "Biosystematisches Institut" ins Leben
zu rufen, worüber in den DGaaE-Nachr. wiederholt berichtet wurde. |