70
Jahre Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen |
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Edmund
Wenzel
Als
vor 70 Jahren 12 rheinische Käferkundler der Einladung Pater Felix
RÜSCHKAMP´S (Foto 1) folgten und am 20. Februar 1927 im Weinhaus
Deis zu Köln die Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen gründeten,
konnte wohl keiner der Anwesenden sicher sein, daß diese AG sieben
Jahrzehnte überdauern würde. Doch sie tat es! Und diese Arbeitsgemeinschaft
existierte über diesen langen Zeitraum nicht einfach nur so dahin,
sondern sie verfolgte die damals aufgestellten Ziele mit großem Einsatz,
erweiterte ihre Arbeitsgebiete und ist bis heute eine aktive, junggebliebene
Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, die Amateurentomologen, beruflich mit
der Koleopterologie Tätigen sowie allen an der Käferkunde Interessierten
eine Heimat bot und bietet. 70 Jahre Arbeitsgemeinschaft heißt daher
70 Jahre Erforschung der Käferfauna der Rheinprovinz, 70 Jahre angehäuftes
Wissen über rheinische Käfer, ihr Vorkommen und ihre Lebensweise.
Vier Generationen profunder und engagierter Koleopterologen widmeten sich
dieser Aufgabe und erreichten, daß die Rheinprovinz heute zu den
koleopterologisch besterforschtesten Gebieten Europas zu zählen ist.
Die "Erforschung aller im Rheinland nachweisbaren Käferarten, -rassen
usw. in systematischer, ökologischer und tiergeographischer Hinsicht..."
wurde vor 70 Jahren, neben dem Aufbau einer Landessammlung, als wichtigstes
Ziel der Arbeitsgemeinschaft formuliert und mit Leben erfüllt.
Foto 1: Prof. Felix RÜSCHKAMP
(1885-1957), Gründer der AG Rhein. Koleopterologen (Foto: Archiv). |
Bis
1911 (Käfer-Verzeichnis von ROETTGEN) waren in der Rheinprovinz 3550
Käferarten nachgewiesen worden. Unter Berücksichtigung der Käferfaunen
umliegender Regionen ging F. RÜSCHKAMP von der Annahme aus, daß
rund 5000 Käferarten in der Rheinprovinz vorkommen könnten. Die
Schließung dieser Kenntnislücke beflügelte das Handeln
der Gründergeneration. Mit Enthusiasmus ging man daran, das Wissen
über die Käferfauna der Rheinprovinz zu vermehren. Einzelpersonen
und Sektionen wetteiferten im besten Sinne miteinander, die meisten Käfer/-arten
im Laufe eines Jahres zusammenzutragen. Als besonders aktiv zeigte sich
die Aachener Sektion. Unter der Ägide von W. WÜSTHOFF schaffte
es diese Gruppe, binnen eines Jahres der AG-Sammlung 5.000 Käfer zuzuführen.
Überhaupt
legte man großen Wert auf den Auf- und Ausbau einer Landessammlung.
Ziel war es, diese Sammlung auf 250.000 Exemplare anzulegen. In der Erkenntnis,
daß nur das faunistisch dauerhaften Aussagewert behält, was
auch in späteren Jahren jederzeit überprüft werden kann,
trieb F. RÜSCHKAMP den Ausbau der Landessammlung voran. Mit großer
Akribie zählte er in seinen Jahresrückblicken auf, wieviel Arten
in welchen Stückzahlen dieser Landessammlung neu hinzugefügt
wurden. Und so wuchs die Landessammlung, in die RÜSCHKAMP seine eigene
Sammlung als Grundstock einbrachte, bis 1934 auf 72.150 Tiere an.
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Die
Aktivitäten der jungen Gruppe zogen andere käferkundlich Interessierte
an. Zählte die Gründungsgesellschaft 12 Personen, darunter so
berühmte Namen wie: WÜSTHOFF, ROSSKOTHEN, GEILENKEUSER, HENSELER
und GOECKE, stieg die Mitgliederzahl (s. Abb. 1) schon im gleichen Jahr
auf 30 Personen an. Im Juli 1930 weist das Mitgliederverzeichnis 49 Namen
auf. Um diese Zahl pendelte bis zum Kriegsbeginn der Mitgliederbestand.
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Aber
schon bald nach Kriegsende verzeichnete die Arbeitsgemeinschaft steigende
Mitgliederzahlen. Nach erfolgter Reorganisation der durch die Kriegswirren
nicht verschont gebliebenen AG wies im Jahre 1948 das Mitgliederverzeichnis
48 Namen auf. 1965 verzeichnete man erstmals über 100 Mitglieder.
Dieser Aufwärtstrend hielt bis 1977 an. In diesem Jahr zählte
die Gemeinschaft 142 Personen. Danach setzte ein steter Rückgang ein,
der sich bis zum Jahre 1988 fortsetzte. Im Verzeichnis dieses Jahres sind
noch 76 Namen aufgeführt.
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Abb. 1: Entwicklung des
Mitgliederbestandes der Arbeitsgemeinschaft Reinischer Koleopterologen |
Mit
der Neugestaltung des Mitteilungsverfahrens, den "Rundschreiben" und später
den "Mitteilungen..." wurde eine neue Qualität der Mitgliederinformation
praktiziert. Prompt stieg auch wieder das Interesse an den Aktivitäten
der Arbeitsgemeinschaft. Kontinuierlich wuchs die Zahl der Bezieher. Gab
es vormals reine Mitglieder, die sich für die Arbeit der Gemeinschaft
interessierten oder aktiv mitarbeiteten, so unterschied man ab Herausgabe
der "Rundschreiben" nicht mehr zwischen Mitgliedern des Naturhistorischen
Vereins und Abonnenten der Mitteilungen. Folglich gab es auch keine Mitgliederverzeichnisse
mehr, sondern "Anschriftenverzeichnisse der Bezieher...". Diese waren allerdings
von ihren Intentionen nicht immer gleichzusetzen mit dem, was früher
als AG-Mitglied bezeichnet wurde. Aus dieser Mischung der Interessen heraus
resultiert das Problem, die Abo-Zuwächse zwischen den Jahren 1988
und 1997 als kontinuierliche Fortführung des Mitgliederbestandes der
Vorjahre zu sehen.
Überhaupt
war und ist die Frage der Mitgliedschaft in der AG seit vielen Jahren recht
problembehaftet. Seit dem Beitritt der Arbeitsgemeinschaft zum Naturhistorischen
Verein der Rheinlande und Westfalens e.V. im Jahre 1937 gab es keine direkten
AG-Mitglieder mehr, sondern NHV-Mitglieder, die in der Arbeitsgemeinschaft
Rheinischer Koleopterologen intensiv mitarbeiteten oder an ihren Aktivitäten
Interese zeigten. Innerhalb des Naturhistorischen Vereins führte die
Arbeitsgemeinschaft ein relativ eigenständiges Dasein. An vielen Beispielen
zeigte und zeigt sich dieser eigenständige Charakter. Preußischer
Ordnungssinn und Vereinsmeierei waren der AG unbekannt. Vielmehr orientierte
sich man sich mit seinem rheinischen Naturell an augenblicklichen Notwendigkeiten
zum Wohle der Gemeinschaft. Aufgrund einer augenblicklichen Situation notwendige
Beschlüsse wurden zwar gefaßt, die spätere Beachtung orientierte
sich dann aber an herrschenden Sachzwängen. Gerade diese unbürokratische,
sich am Notwendigen orientierende Seite der Arbeitsgemeinschaft ist es
wohl, die mitverantwortlich war für die 70 Jahre währende Kontinuität.
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Foto
2 und 3: Exkursionen früher - Mit Schlips und Kragen und im vollen
Ornat ins Gelände! Eindrücke zweier Exkursionen zwischen 1930
und 1932 (Foto: Archiv).
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Die
koleopterologische Erforschung der Rheinprovinz durch die Arbeitsgemeinschaft
erforderte neben der Sammeltätigkeit Einzelner in ihrer näheren
Umgebung auch die Durchführung gemeinsamer Exkursionen in weiterentfernt
gelegene Gebiete. Schon am 1. Mai 1927 unternahmen unter der Leitung von
Josef RÜSCHKAMP 4 Koleopterologen - getreu dem ausgegebenen Ausrüstungsmotto:
"Der schäbigste Kerl, der beste Entomologe" - die erste Gemeinschaftsexkursion
in das Worringer Bruch bei Köln. Dieses erste Exkursionsmotto ist
aus heutiger Sicht erst dann verständlich, wenn man bedenkt, daß
Exkursionsteilnehmer zur damaligen Zeit mit Krawatte oder im Ornat auf
Käferfang gingen (Foto 2 und 3).
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Die
geringe oder besser gesagt erschwerte Mobilität der damaligen Zeit
machte es zwangsläufig notwendig, Exkursionsziele zu finden, die mit
öffentlichen Verkehrsmitteln leicht erreichbar waren. So verwundert
es nicht, wenn zu den eintägigen Exkursionen häufig Ziele/Lokalitäten
im näheren Umfeld der Städte Köln, Düsseldorf oder
Aachen angesteuert wurden. Die in den Gründerjahren herrschende Exkusionsphilosophie
wurde treffend charakterisiert mit: "Bequem, billig, erfolgreich!" Doch
schon bald wurde die Notwendigkeit erkannt, eine mehrtägige Hauptexkursion
im Jahr durchzuführen, um somit auch weiter entfernt gelegene Ziele
ansteuern zu können. Im zweiten Jahr des Bestehens, 1929, führte
die erste mehrtägige Exkusion der Arbeitsgemeinschaft nach Hinsbeck
ins Niederrheinische Tiefland.
Aber
gerade diese jährlichen Hauptexkursionen in weiter entfernt gelegene
Gebiete schienen ag-intern nicht problemlos gesehen und freudig angenommen
worden zu sein. So versuchte man anfänglich, diese Exkursionen gemeinsam
mit dem NHV durchzuführen, z.B. nach Stromberg in den Hunsrück.
1934 entschied man sich mangels ausreichendem Interesses dazu, die Großexkursionen
nur noch im zweijährigen Rhythmus durchzuführen. Ende Mai 1939
führte die letzte Vorkriegsexkursion nach Gerolstein/Eifel. An ihr
nahmen noch 11 Koleopterologen teil. Danach ruhte die gemeinschaftliche
Exkursionstätigkeit.
Erst
8 Jahre später konnte man sich wieder zu einer gemeinsamen Tagesexkursion
treffen, sie führte in den Meererbusch bei Düsseldorf. Ein Jahr
danach gelang es sogar schon wieder, die erste mehrtägige Pfingst-Exkursion
nach dem Kriege zu organisieren, wiederum nach Hinsbeck an den Niederrhein.
Mit welchen Problemen damals zu kämpfen war, mag aus der Begründung
zu ersehen sein, die A.M.J. EVERS damals in seinem Exkursionsbericht anführte:
"Die Wahl für die Exkursion war auf Hinsbeck am Niederrhein gefallen,
da dieser Ort trotz der schwierigen Reiseverhältnisse noch verhältnismässig
gut zu erreichen war. Weiterhin hatte es die Gemeinde Hinsbeck übernommen,
Sorge zu tragen für die Unterkunft der Exkursionsteilnehmer und außerdem
die nötigen Kartoffeln für das Mittagsessen zu liefern."
Die
60er Jahre standen in der Bundesrepublik ganz im Zeichen höherer Auto-Mobilität.
Diese neue Freiheit auf Rädern fand, wie könnte es für aktive
Sammler anders sein, auch ihren Niederschlag in der Arbeitgemeinschaft.
Schnell steigerte man die Zahl der Exkursionen auf drei bis vier pro Jahr.
Nunmehr standen Ziele im Vordergrund, die in früheren Jahren infolge
erschwerter Anreisebedingungen kaum besammelt wurden und gleichzeitig interessante
Arten erhoffen ließen. Die Mosel, das Siebengebirge und das Nahetal
erfreuten sich zunehmender Aufmerksamkeit. Dieser Trend hat bis heute angehalten.
Selbst über dreihundert Kilometer entfernt liegende Exkursionsziele
wie z.B. Taben-Rodt an der Saar im äußersten Südwesten
der Rheinprovinz werden heute von vielen AG-Mitgliedern gerne aufgesucht.
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Einige
Zielgebiete erfreuten sich über viele Jahre hinweg bei den AG-Mitgliedern
besonderer Beliebtheit oder wurden aus Gründen einer intensiven koleopterologischen
Bestandserfassung mehrfach aufgesucht, in Abbildung 2 als ausgefüllte
Kreise dargestellt. Die meisten Exkursionen führte die AG in den Hambacher
Forst durch. 15 mal traf man sich zu Gemeinschaftsexkursionen in diesem
Teil der Rheinprovinz. 15 mal, um eine Käferfauna zu dokumentieren,
die mittlerweile zum größten Teil den Großraumbaggern
der RWE-Tochter Rheinbraun zum Opfer gefallen ist! Die Ahrschleife bei
Altenahr und weitere Gebiete in der näheren Umgebung Altenahrs wurden
13 mal aufgesucht. Zusammen mit anderen Gruppen konnte die AG so durch
ihre intensive Tätigkeit mit zur Unterschutzstellung der Ahrschleife
bei Altenahr beitragen. Der Meererbusch bei Düsseldorf war nicht nur
wegen seiner leichten Erreichbarkeit zwischen 1947 und 1973 ein gerne aufgesuchtes
Zielgebiet. Insgesamt wurde dieses Landschaftselement im Verlaufe von 12
Exkursionen intensiv erkundet.
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Abbildung 2: Exkursionsziele
der Arbeitsgemeinschaft im Verlaufe ihrer 70jährigen Geschichte (Quelle:
Archiv) . |
Außer
den Exkursionen waren es besonders die Tagungen, die das Gemeinsame in
der AG förderten. Neben der Möglichkeit der Kommunikation und
des Erfahrungsaustausches bildeten diese eine ideale Möglichkeit der
Weiterbildung. Standen die ersten Tagungen noch ganz unter dem Eindruck
der Neugründung, so änderte sich das Konzept sehr bald. Das Berichten
über gemachte Beobachtungen, die Mitteilung über eigene Sammelerfolge,
Vorträge über biologische, ökologische und faunistische
Aspekte der "Rheinischen Käferwelt" bildeten fortan den Schwerpunkt
der Tagungen.
Zu
Zeiten des Vorsitzenden K. HOCH war Köln der Tagungsort schlechthin.
Drei bis fünfmal im Jahr traf man sich in der Universität. Neben
allgemeinen Regularien gehörten durchschnittlich drei Vorträge
zum festen Bestand einer jeden Tagung. Dieses Konzept änderte sich
erst, als der mittlerweile 28 Jahre amtierende Vorsitzende K. HOCH (Foto
4) um unterstützende Hilfe bei der Bewältigung der Vorstandsarbeit
bat und einen Beistand erhielt. Die Herren S. CYMORECK, K. KOCH und W.
LUCHT änderten das Tagungskonzept nachhaltig. Fortan wurde im turnusmäßigen
Wechsel in Köln, Bonn und Düsseldorf getagt. Vorbei war die Zeit
der reinen Vortragstagungen. An den Vormittagen fanden sog. Arbeitstagungen
statt. Bestimmungsübungen wurden durchgeführt, besondere Sammelmethoden
dargestellt, Tips zu Zucht und Präparation gegeben. Die praktische
Anleitung stand am Vormittag im Vordergrund, während die Nachmittage
in Bonn und Köln den Vorträgen vorbehalten waren. Die Tagung
in Düsseldorf fand ohne feste Tagesordnung statt. Sie diente der "Freien
Aussprache", ein wichtiges kommunikatives Element in der Arbeitsgemeinschaft.
1971
trat Wuppertal als vierter Tagungsort hinzu. W. KOLBE, Direktor des Fuhlrott-Museums
rief die "Entomologischen Wochenendtagungen" ins Leben. Das neue Tagungskonzept
verfolgte die Zielsetzung, haupt- und nebenberuflich tätige Entomologen
zusammenzuführen. 16 mal konnte diese Integration in Wuppertal praktiziert
werden.
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Im
Verlaufe der 70jährigen AG-Geschichte fanden 174 Tagungen statt (Tab.
1 im Anhang), auf denen über 540 Vorträge gehalten wurden. Zahlen,
die das Bemühen kennzeichnen, die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft
mit wichtigen Aspekten der Koleopterologie bekannt zu machen, sie mit wissenschaftlichen
Neuerungen zu konfrontieren, sie umfangreich zu informieren, sie im Rahmen
der gegebenen Möglichkeiten weiterzubilden und den Kontakt unter den
über die gesamte Rheinprovinz verstreut lebenden Koleopterologen aufrechtzuerhalten.
Doch
nicht nur die Tagungen dienten diesen Zwecken. Eine wesentliche Säule
des Informationsflusses bildeten die Tagungsberichte. Regelmäßig
mit der Einladung zur neuen Tagung wurden die Vorträge der vorausgegangenen
in ausführlicher Form dargestellt. Durchschnittlich wurden pro Jahr
zwischen 12 und 20 engbeschriebene Schreibmaschinenseiten verfaßt.
Allen Mitgliedern stand somit ein lückenloses Informationssystem zur
Verfügung. Mehr noch, die schriftlichen Zusammenfassungen der Vorträge
bildeten eine Fundgrube koleopterologischen Wissens. Im Laufe der Jahre
häufte sich so ein umfangreiches Wissen und Nachschlagewerk über
die unterschiedlichsten Bereiche der Käferkunde an. |
Foto 4: Karl HOCH (1890-1966)
Vorsitzender der Arb.gem. Rhein. Koleopterologen nach 1934 (Foto: Archiv). |
HOCH
als Pädagoge erkannte den Wert dieser informationsreichen, leicht
lesbaren aber trotzdem nichts von ihrem wissenschaftlichen Charakter verlierenden
Tagungsberichte (vgl. Abb. 3). So verwundert es nicht, daß er trotz
seiner vielfältigen Aufgaben als Vorsitzender der Erstellung dieser
Tagungsberichte einen besonderen Stellenwert beimaß. Wie wichtig
er die Berichte als Klammer der Arbeitsgemeinschaft sah, zeigt der Umstand,
daß er selbst in den Kriegsjahren als Soldat in Frankreich sogenannte
Mitteilungsblätter verfaßte. Trotz äußerst erschwerter
Bedingungen gelang es ihm, zwischen 1940 und 1947, drei Mitteilungsblätter
zu verschicken. Der vierte und letzte Bericht enthält die traurige
Bilanzierung des Krieges aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft: Tod vieler
Kollegen, Verlust oder Zerstörung vieler Sammlungen und eine nur noch
rudimentär bestehende Arbeitsgemeinschaft.
1948
bildete zwar noch die allgemeine Papierknappheit den limitierenden Faktor
bei der Erstellung der Berichte für die reorganisierte AG, doch schon
zwei Jahre später konnten die Tagungsberichte wieder in altgewohnter
Weise verfaßt werden. Bis 1960 lag die Erstellung der Tagungsberichte
in den Händen K. HOCH´S. Als sich dann mit zunehmendem Alter
die Notwendigkeit ergab, die Schriftleitung in andere Hände abzugeben,
übernahmen 1961 die Herrn S. CYMORECK und W. LUCHT die Schriftführung.
Sie übergaben dieses Amt 1966 an H. GRÄF, der mit nur einem Jahr
Unterbrechung bis 1980 Schriftführer der Arbeitsgemeinschaft war.
Als
dann die Schriftführung in andere Hände übergeben wurde,
reduzierte sich der Inhalt der Informationen letztlich nur noch auf Einladungen
zu Tagungen und Exkursionen. Vorbei die Zeit, wo ausführliche Berichte
auch ein späteres Nachlesen eines gehörten Vortrages ermöglichten.
Dieser
Umstand wurde allgemein als sehr unbefriedigend empfunden - kannten viele
doch noch die ausführlichen HOCH-Berichte. Der Wunsch nach einem AG-internen
Mitteilungsblatt wurde als immer dringlicher erkannt. In dieser Situation
übernahm 1988 F. KÖHLER als neuer Schriftführer die Herausgabe
der "Rundschreiben". Die anfänglich nur als Informationsblatt gedachten
"Rundschreiben" wuchsen sehr schnell, sowohl an Qualität wie auch
an Quantität. Nach drei Jahren, während derer die "Rundschreiben"
zu einer ausgewachsenen Zeitschrift reiften, begann 1990 eine neue Ära
in der Mitteilungspolitik der Arbeitsgemeinschaft. Mit den "Mitteilungen
der Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen" gelang es F. KÖHLER
eine Zeitschrift zu konzipieren, die weit über die Grenzen der Rheinprovinz
Interesse und Beachtung fand.
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Abbildung 3: Entwicklung
der Tagungsberichte/Mitteilungen im Verlaufe der AG-Geschichte - der Seitenumfang
ist von jeweils drei Jahren zusammengefaßt. (Ein direkter Vergleich
der Seitenzahlen als Maßstab der publizistischen AG-Tätigkeit
unterliegt dem Problem unterschiedlicher Seitengröße. Waren
die HOCH´schen Berichte auf engbeschriebenen DIN A 4 Seiten verfaßt,
verwandte man ab den 80er Jahren das A5 Format, wie es auch heute noch
für die "Mitteilungen..." benutzt wird. Die ermittelten Seitenzahlen
mußten daher relativiert werden). |
Nach
neunjähriger Tätigkeit ging im Jahre des 70jährigen Bestehends
der AG die Schriftleitung an Th. STUMPF über. Zusammen mit B. FRANZEN
und Th. WAGNER werden diese Herren dafür sorgen, daß die "Mitteilungen..."
auch in Zukunft den Stellenwert als Informationsquelle und Mitteilungsorgan
der Arbeitsgemeinschaft behalten werden, den sie seit nunmehr vielen Jahren
besitzen.
Das
Verfolgen der gemeinsamen Ziele und das Aufrechterhalten einer aktiven
Gemeinschaft über einen so langen Zeitraum von siebzig Jahren hinweg
war sicherlich neben der uneigennützigen Tätigkeit all der vielen
Koleopterologen ein wesentlicher Verdienst der AG-Vorsitzenden. Sie waren
es, die die Gemeinschaft voranbrachten und sie lenkten. In der Gründungsphase
war es Prof. F. RÜSCHKAMP, der die Fähigkeit besaß, die
AG-Ziele auch zu Zielen ihrer Mitglieder zu machen. Während der sieben
Jahre seines Vorsitzes stieg die Zahl der nachgewiesenen Käfer um
457 Arten auf 4107 an und die Belege in der Landessammlung auf über
70 000 Exemplare. Seine 1932 angetretene Professur in Frankfurt beanspruchte
ihn sehr stark und so mußt er 1934 den Vorsitz niederlegen. Ihm folgte
Rektor Karl HOCH. 32 Jahre lang führte der begabte Pädagoge die
Arbeitsgemeinschaft mit großem Geschick, Konzilianz, Weitblick und
steter Hilfsbereitschaft. In seine Amtszeit fiel der Anschluß der
AG an den Naturhistorischen Verein. Er führte die AG nach dem Kriege
wieder zusammen und verhalf ihr zu einer neuen Blütezeit. Als Karl
HOCH 1966 starb, übernahm Alfons M. J. EVERS den AG-Vorsitz. 14 Jahre
stand er der AG vor. Für seine Verdieste um die Arbeitsgemeinschaft
ehrte man ihn 1981 mit dem Ehrenvorsitz - bisher einzig in der AG-Geschichte.
Ihm folgte der schon lange Zeit in die Vorstandsarbeit eingebundene Klaus
KOCH (Foto 5). Von 1981 bis 1990 leitete er die Geschicke der Gemeinschaft.
Besonders die faunistische Erforschung der Rheinprovinz lag ihm sehr am
Herzen und bildete einen Schwerpunkt seiner Amtszeit. Als seine publizistische
Tätigkeit immer mehr Zeit in Anspruch nahm, löste ihn Paul WUNDERLE
1990 im Vorsitz ab. Vier Jahre lang stand er der AG vor, bis auch er, infolge
beruflicher Inanspruchnahme, im Februar 1994 sein Amt niederlegte. Ihm
folgte Edmund WENZEL als sechster Vorsitzender in der nunmehr 70jährigen
AG-Geschichte.
Die
kontinuierliche Arbeit nach innen durch Exkursionen, Tagungen und Weiterbildung
zeigte deutliche Auswirkungen und trug vielfältige Früchte. Die
oftmals sehr individuell arbeitenden rheinischen Koleopterologen erhielten
somit immer wieder neue Anregungen, wurden zu eigenem Handeln motivert
oder bei ihrer Forschungsarbeit unterstützt. Viele Kollegen entwickelten
großes Engagement und zeichneten sich durch besondere Leistungen
aus. Ihre überragenden Leistungen für die Käferkunde oder
aber ihr großer Einsatz für die Arbeitsgemeinschaft fand seit
1949 mehrfach die gebührende Anerkennung in Form der Verleihung der
Ehrenmitgliedschaft. Insgesamt 17 mal konnte die Gemeinschaft verdienstvolle
Mitglieder auf diese Weise ehren. In chronologischer Reihenfolge (zusammengestellt
von W. LUCHT) waren dies die Herren:
1949 W. WÜSTHOFF - 1951 K.
VON STEINWEHR - 1958 A. HORION - 1958 A. REICHENSPERGER - 1960 W. AERTS
- 1960 F. LENGERSDORF - 1963 H. GOECKE - 1965 K. HOCH - 1968 K. ERMISCH
- 1969 C. KOCH - 1975 M. SCHMAUS - 1982 H.-D. APPEL - 1982 W. LUCHT - 1985
J. KLAPPERICH - 1989 K. KOCH - 1989 H. GRÄF - 1991 G. A. LOHSE.
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Foto
5: Dr. Klaus KOCH (1925-1995), Verfasser der "Käferfauna der Rheinprovinz"
Vorsitzender der AG von 1980-1990. |
Doch
nicht nur auf 17 Ehrenmitglieder kann die Arbeitsgemeinschaft zurückblicken.
Die überragenden Leistungen vieler Kollegen fanden ihre Würdigung
auch außerhalb der Gemeinschaft. Ehrungen, Umweltschutzpreise, Medaillen
und Stipendien waren das sichtbare Zeichen der Anerkennung für diese
Mitglieder.
Im
Verlaufe ihrer Geschichte konnte die Gemeinschaft auch 6 Ehrendoktore zu
ihren Mitgliedern zählen. Als erstes AG-Mitglied erhielt im Juni 1940
Georg STATZ den Ehrendoktortitel der Philosophischen Fakultät der
Universität Köln verliehen. Ihm folgte 1954 Adolf Horion. Für
seine überragenden Leistungen in der Koleopterologie zeichnete ihn
die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität
Tübingen mit der Ehrendoktorwürde aus. Hans GOECKE wurde im Mai
1963 von der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität
Erlangen geehrt. Er erhielt diese Auszeichnung aufgrund seiner Verdienste
für die Entomologie und den Umweltschutz. Im Jahre 1977 verlieh die
Universität Hamburg Gustav Adolf LOHSE die Ehrendoktorwürde.
Sie erhrte damit die bewundernswerten Leistungen eines der besten Kenner
der Käferfauna Mitteleuropas. 1979 zeichnete die Eidgenössisch
Technische Hochschule Zürich Siegfried CYMOREK aus. In Anerkenung
seiner besonderen Leistungen um die Erforschung der Biologie holzzerstörender
Insekten erhielt er die Würde eines Doktors der Naturwissenschaften
ehrenhalber. Als bislang letzter in der Reihe dieser honorigen Persönlichkkeiten
konnte Alfons M. J. EVERS im Februar 1994 seinen Ehrendoktortitel entgegennehmen.
Die Philipps-Universität zu Marburg ehrte ihn für seine hervorragenden
Leistungen auf dem Gebiet der Entomologie und seine Verdienste um die Herausgabe
biologischer Literatur.
Blicken
wir heute zurück, so können wir feststellen, daß die vergangenen
siebzig Jahre eine sehr erfolgreiche Zeit für die Arbeitsgemeinschaft
Rheinischer Koleopterologen gewesen ist.
- Erfolgreich bei der Verfolgung
ihres Hauptzieles, der faunistischen Erforschung der Käferfauna der
Rheinprovinz. Sind wir der RÜSCHKAMP´SCHEN Zielvorgabe von 5.000
Käferarten doch schon sehr nahe gekommen." Publiziert sind 5.076,
davon "richtig" sind leider nur 4.772, Rest falsch oder importiert, fraglich
etc." (KÖHLER i.l. 1997).
-
Erfolgreich in ihrem Bemühen, ihren Mitgliedern durch Tagungen und
Exkursionen immer neue Informationen, Wissen, Tips und Motivationen für
ihre koleopterologische Tätigkeit zu vermitteln.
-
Erfolgreich auch in ihrem Bemühen, die menschlichen Kontakte, die
zwischenmenschlichen Beziehungen zu pflegen. Stand die AG doch immer ihrem
Namen getreu in einer Balance zwischen Arbeit und Gemeinschaft. Arbeit
am gemeinsamen Ziel - Gemeinschaft aller an der Koleopterologie Interessierter.
Daß diese Ambivalenz auch heute noch größte Aktualität
besitzt, beweisen immer wieder die gut besuchten Tagungen, Exkursionen
und selbst die Arbeitstagungen mit oftmals über 20 Teilnehmern.
Die Rückschau auf die sieben Jahrzehnte
währende AG-Geschichte erwies sich als sehr zufriedenstellend, doch
kann dies kein Grund dafür sein, sich auf dem Erreichten auszuruhen.
Die Zukunft erfordert weitere Anstrengungen, neue Ansätze und neue
Ziele.
Die
Erforschung der rheinischen Käferfauna ist zwar schon beachtlich weit
gediehen, aber noch gibt es viele weiße Flecke in der rheinischen
Landschaft. Westerwald, westlicher Hunsrück und Teile der Eifel sind
noch kaum besammelt worden und harren ihrer koleopterologischen Entdeckung.
Die faunistische Forschung muß weiterverfolgt und aktualisiert werden!
Noch sind wir weit davon entfernt, gezielte Aussagen über Vorkommen
und Verbreitung aller in der Rheinprovinz existierender Käfer machen
zu können. Auch wenn durch den Einsatz moderner EDV-Technologie unser
diesbezügliches Wissen erfreulich wächst, so bleibt noch sehr
sehr viel Arbeit für die Zukunft. Es ist zu hoffen, daß eine
gänzlich neue, eine aktuelle Käferfauna nicht mehr allzu lange
auf sich warten läßt. Es ist F. KÖHLER zu danken, daß
er sich dieser Aufgabe mit großem Einsatz widmet. Doch kann nur durch
eine gemeinsame Kraftanstrengung, durch die Mitarbeit aller rheinischen
Koleopterologen, letzlich dieses Ziel erreicht werden.
Die
Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen findet ihren
Niederschlag in der AG-Arbeit. Zukünftig muß den gesellschaftspolitischen
Gegebenheiten verstärkt Rechnung getragen werden. Berücksichtigt
werden muß eine wachsende kritische Einstellung von Teilen der Öffentlichkeit
gegenüber biologischen Aktivitäten. Ein oftmals zwiespältiges
Verhältnis gegenüber Natur und Tieren im Besonderen muß
in unserem Handeln beachtet werden. Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung
und eine verstärkte Präsentation der geleisteten Arbeit sind
notwendig um latent vorhandene Ressentiments auszuräumen. Dazu gilt
es auch, daß in noch weit stärkerem Maße als bisher die
aktuellen Notwendigkeiten, nämlich der Schutz und Erhalt intakter
Lebensräume, das Handeln der Gemeinschaft bestimmt. Der Weg, der in
den letzten Jahren eingeschlagen wurde, muß beibehalten und intensiviert
werden. Die ökologische Grundlagenforschung, die Zusammenarbeitmit
anderen entomologischen Gruppen und die Mitarbeit bei der Unterschutzstellung
gefährdeter Biotope und Landschaftselemente werden in der Zukunft
einen immer breiteren Raum der Gemeinschaftsarbeit einnehmen. Ihre Ziele
weiter verfolgend, aber gleichzeitig die aktuellen Fragestellungen in ihrem
Handeln berücksichtigend, wird die Arbeitsgemeinschaft Rheinischer
Koleopterologen auch zukünftig die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz
genießen und weiterhin eine erfolgreiche Arbeit leisten.
Zitat:
Wenzel,
Edmund (1997): 70 Jahre Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen,
in: Köhler, F. (Hrsg.): Beiträge zur Käferfauna und Koleopterologie
im Rheinland Festschrift zum siebzigjährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft
Rheinischer Koleopterologen (1927-1997). - Decheniana (Bonn) Beiheft 36,
1-12.
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