Albert-Steeger-Stipendium 1966 an  Koch & Lucht
Laudatio von Professor Dr. Maximilian Steiner

Mir ist der Auftrag zuteil geworden, Ihnen die Preisträger vorzustellen und Sie mit ihren wissenschaftlichen Leistungen bekanntzumachen. Ich empfinde diesen Auftrag als eine hohe Ehre und Auszeichnung. Ich unterziehe mich ihm mit großer, aufrichtiger Freude. 

Die Protokollfrage der Reihenfolge: soll das Alter entscheidend sein, also zuerst Lucht, dann Koch - oder das Alphabet - also umgekehrt - glaube ich im Sinne der zweiten Alternative lösen zu dürfen. In ihrer großen Arbeit über die Käferfauna des Siebengebirges haben die Autoren selbst die alphabetische Reihenfolge gewählt. In dieser Reihenfolge ist das Forscherpaar Koch und Lucht für die engere und weitere Fachwelt ein Begriff geworden. So mag es dabei bleiben. 

(Der Laudator streifte kurz den Werdegang des Stipendiaten und fuhr dann fort:) 

Koch hat die ersten Anregungen zur Beschäftigung mit den Gegenständen der lebenden Natur und insbesondere mit der Insektenwelt wohl schon in früher Jugend im Elternhaus empfangen. Sein Vater, von Beruf Kunstmaler, später als Behärdenangestellter im Baufach, war selber Liebhaberentomologe und ein namhafter Spezialist für die Curculionidae, die Rüsselkäfer. Klaus Koch begann seine insektenkundlichen Arbeiten 1952. Seine lokalfaunistische Sammlung aus der Umgebung Düsseldorfs, dem Nahegebiet und dem Siebengebirge umfaßt bis jetzt ca. 2500 Arten. 

Die Reihe der Veröffentlichungen wird 1956 durch einen gemeinsamen mit C. Koch verfaßten Bericht über Bemerkenswerte Rüsselkäferfunde aus der Umgebung Düsseldorfs, dem Hunsrück und der Nahe" eingeleitet. Drei Jahre später (1959) folgt eine selbständige Studie über Käfer in Maulwurfsnestern; 1961 ein Bericht über Seltenheiten der rheinischen Käferfauna aus der Umgebung Düsseldorfs; sie gemeinsam mit Willi Lucht verfaßte Arbeit über die Käferfauna des Siebengebirges und des Rodderberges.

Sofort nach Abschluß dieses umfangreichen Werkes wandte sich Koch einer neuen großen Aufgabe zu: einer Rheinischen Käferfauna. Mehr als 50 Jahre sind seit dem letzten großen zusammenfassenden Werk über dieses Gebiet vergangen, seit der im Jahre 1912 erschienenen Käferfauna der preußischen Rheinlande" des Amtsgerichtsrates Röttgen. 19 im Schrifttum seither erschienene Nachträge waren zu berücksichtigen. Neben den eigenen Funden waren die historischen Sammlungen und diejenigen der jetzt tätigen Forscher auszuwerten, neuere Erkenntnisse der Systematik in der Sippenabgrenzung zu berücksichtigen.

Man könnte darüber streiten, was mehr Anerkennung verdient: die Gründlichkeit und Sorgfalt, womit sich Klaus Koch dieser äußerst umfangreichen Arbeit unterzogen hat, oder die kurze Zeit, in der sie geschafft wurde. Das Manuskript mit einem Umfang von ca. 650 Maschinenschriftseiten ist in den "Decheniana-Berichten" in Druck.

Auch Willi Lucht ist ein Kind des Rheinlandes. Er wurde am 30. August 1922 in Krefeld geboren. Zu Düsseldorf besuchte er die Volksschule, ebenda und in Hagen die Mittelschute bis zur mittleren Reife. Nach zwei jährigem Besuch der Staatlichen Oberschule in Aufbauform zu Herdecke a. d. Ruhr, 1939 bis 1941, erlangte er das Reifezeugnis und wurde dann sofort zur Wehrmacht einberufen.

Er nahm am Krimfeldzug und der Ardennenoffensive teil, wurde zwischendurch als Taktiklehrer und für Entwicklungsaufgaben beim Oberkommando des Heeres eingesetzt und geriet als Leutnant der Reserve in Kriegsgefangenschaft. Aus dieser 1946 entlassen, begann er eine Lehre als Einzelhandels-Kaufmann, besuchte zwei Jahre die Höhere Handelsschule in Hagen und erwarb 1948 den Kaufmannsgehilfenbrief. Die nächsten drei Jahre, 1948 bis 1951, waren der Hilfe beim Wiederaufbau des elterlichen Geschäftsbetriebes und der Erweiterung der Ausbildung durch Volontär-tätigkeit in einem Werbeunternehmen gewidmet.

Seit 1951 ist Willi Lucht als Werbefachmann bei der Hauptverwaltung einer Großbank in Düsseldorf tätig. Sein Aufgabenbereich umfaßt Planung, Organisation und Durchführung von Werbemaßnahmen, Finanz-publikationen und Offentlichkeitsarbeit für das Gesamt-institut, seine 440 deutschen Zweigstellen und seine acht Auslandsvertretungen. Die erfolgreiche Bewährung dieser vielseitigen und verantwortungsvollen Berufsarbeit fand 1955 durch Beförderung zum Ober-beamten mit Handlungsvollmacht ihre Anerkennung.

Auch Willi Lucht war schon als Schüler für naturwissenschaftliche Dinge begeistert. Er sammelte Insekten, Petrefakten, Mineralien und anderes mehr. Aus diesem Magma diffuser Interessen kristallisierte sich bereits in der Oberstufe der höheren Schule eine Spezialisierung auf Käfer und höhlenbewohnende Gliederfüßer heraus. Sie fand zunächst ihren Ausdruck in einer freiwilligen Abiturarbeit über die Tierwelt der Höhlen an der Hünenpforte bei Hohenlimburg, die aus zeitbedingten Gründen allerdings erst 1954 durch den Druck in den "Heimatblättern für Hohenlimburg und Umgebung" veröffentlicht werden konnte. 

Nach dem Kriege erstreckten sich die Sammlungen und Untersuchungen von Willi Lucht vor allem auf das Rheinland und seine Nachbargebiete: auf die Umgebung von Hagen, Düsseldorf, Kyllburg in der Eifel, das Siebengebirge und den Rodderberg, darüber hinaus auf das Gebiet des Linken Niederrheins, die Mosel, den Hunsrück, das Sauerland. Sie greifen aber auch weit über diesen engeren Raum hinaus auf das Gebiet der Nordsee, den Schwarzwald, den Bodenseeraum, den Bayerischen Wald, die bayerischen Alpen, Kärnten, die Steiermark. Selbst auf der Krim wurden während des Krieges koleopterologische Studien betrieben. 

Kein Wunder, daß diese emsige und vielseitige Arbeit bemerkenswerte Ergebnisse erbrachte: drei Neufunde für Deutschland, mehrere Neufunde für die Rhein-provinz und die Nachbar- und übrigen Sammelgebiete, davon allein vier rheinische Neufunde für das Eifel-gebiet. 

Bereits fünf Jahre vor der schon früher erwähnten Arbeit über Siebengebirge und Rodderberg, also 1957, veröffentlichte Lucht einen längeren Bericht über eine koleopterologische Gmeinschaftsexkursion zum Meererbusch bei Düsseldorf. 1963 folgt eine Veröffentlichung zur Verbreitung und Biologie des Otiorrhynchus austriacus" (eines Rüsselkäfers); 1965 ein Beitrag zur Kenntnis der Käferfauna der Eifel" - ein Nachtrag zur Käferfauna des Siebengebirges und des Rodderberges liegt druckfertig vor - ein Bericht über Bemerkenswerte Käferfunde aus der Ramsau" wird bald erscheinen - Arbeiten über die Biologie des seltenen Orectochilus villosus sind weit fortgeschritten. 

Schließlich sei ein wichtiges Werk von Willi Lucht nicht vergessen, das bisher in zwei Lieferungen vorliegende, mit Dr. Harde (Stuttgart) herausgegebene Verzeichnis der Koleopterologen Mitteleuropas, in welchem Anschriften und Spezialisierung aller deutschen, österreichischen und schweizerischen Koleopterologen gebracht werden. Jeder, der auf irgendeinem Sondergebiet der beschreibenden Naturwissenschaften arbeitet, wird den Nutzen einer solchen Zusammenstellung ermessen können und die Käferforschung um dieses Instrument beneiden. 

Diese knappe, sachgebundene Darstellung von Lebenslauf und Werk unserer beiden Stipendiaten bedarf notwendigerweise eines Kommentars. Dabei will ich vor allem an die schon mehrere Male erwähnte Siebengebirgsarbeit der beiden Preisträger anknüpfen, nicht nur, um allzu große Breite zu vermeiden, sondern auch deswegen, weil wohl gerade dieses Werk der Anlaß war, das Albert-Steeger-Stipendium 1966 den beiden Verfassern zu verleihen. 

Ich meine, zu drei Gesichtspunkten sollten da ein paar Worte gesagt werden: 

1. Es handelt sich um einen wertvollen Beitrag zur wissenschaftlichen Erforschung eines Naturschutzgebietes. 

2. Es handelt sich um eine Gemeinschaftsarbeit. 

3. Es handelt sich um ein Werk von Laien (lassen Sie mich, bitte, diesen Ausdruck zunächst einmal in dieser Form gebrauchen). 

1) Das Siebengebirge ist das älteste deutsche Naturschutzgebiet. Schon 1836, als es diesen Begriff noch gar nicht gab, wurde der von Zerstörung bedrohte Drachenfels vom preußischen Staat erworben und unter seinen Schutz gestellt. Trotz seiner leichten Zugänglichkeit interessierte diese hervorragende Stelle der rheinischen Landschaft zunächst fast ausschließlich die Geologen, kaum die Biologen. Für die Käfer-fauna des Siebengebirges waren bis 1900 erst 34 Arten bekannt. In der bereits genannten Käferfauna der Rheinprovinz" Röttgens aus dem Jahre 1911 vermehrte sich der Bestand des Bekannten auf etwas über 100 Arten. Bei Röttgens Angaben fehlen jedoch, wie es damals üblich war, genauere Daten, Beschreibungen der Fundorte und der Fundumstände. Auf weitere historische Hinweise will ich schon deshalb verzichten, weil ja einer unserer Preisträger über die Geschichte der rheinischen Koleopterologie referieren wird. 

Die Siebengebirgs-Arbeit von Koch und Lucht bringt Angaben über insgesamt 1723 Arten. Davon stellen 661, also 38 %, Neufunde für das Untersuchungsgebiet dar. Bei jeder Art werden mit vorbildlicher Genauigkeit alle Angaben gemacht, die eine Auswertung im weiteren Rahmen hinsichtlich der Verbreitung, der relativen Häufigkeit, der Erscheinungszeit und der Ansprüche an den Lebensraum ermöglichen. Die Artenliste wird sorgfältig nach tiergeographischen und ökologischen Gesichtspunkten ausgewertet. Die Statistik der Faunenelemente der faunistisch besonders bemerkenswerten 216 Arten ergibt für das kontinentale, mediterrane und termophile Element 107 Arten, also fast genau 50 %. Die klimatische Gunst des Siebengebirges findet hierin einen anschaulichen Ausdruck. Hier, an der Nordgrenze des Weinbaus, erreichen kontinentale Arten ihre Westgrenze, südliche Arten ihre Nordgrenze.

Doch genug der Einzelergebnisse, so interessant viele weitere sein mögen. 

Die Arbeit gehört zu der von Ferdinand Pax angeregten und redigierten Schriftenreihe Siebengebirge und Rodderberg. Beiträge zur Biologie eines rheinischen Naturschutzgebietes". Unter den bisher erschienenen 18 Abhandlungen (über die Flechten, Weichtiere, Rädertiere, Fadenwürmer, Zweiflügler etc.) ist die Käfermonographie von Koch und Lucht die weitaus umfangreichste. Für die genannte Schriftenreihe haben also unsere beiden Forscher einen besonders gewichtigen Beitrag geliefert. 

Diese Leistung darf und muß also sehr wohl auch in einem weiteren Zusammenhang gesehen werden. Durch die von Pax angeregten Abhandlungen über die Tier- und Pflanzenwelt des Siebengebirges und durch die etwas älteren, verdienstvollen Veröffentlichungen von Käthe Kümmel und August Hahne über Flora und Vegetation dürfte das Siebengebirge unter allen deutschen Naturschutzgebieten schon jetzt am gründlichsten erforscht sein. Auch im übrigen Europa dürfte höchstens der Schweizerische Nationalpark im Ofen-gebiet gleich gut oder sogar noch besser dastehen. Seine ihm gewidmete vorzügliche Monographienreihe hat ja auch einen beträchtlichen zeitlichen Vorsprung. 

Ich meine, daß die Bedeutung der wissenschaftlichen Durchforschung der Naturschutzgebiete für den Naturschutzgedanken nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Man sollte beim Naturschutz nicht nur, wie das leider häufig geschieht, mit allgemeinen, emotionalen Argumenten operieren. Gegen harte wirtschaftliche Interessen scheinen mir letzten Endes nur harte, wissenschaftlich begründete Argumente Gewicht zu haben. Wenn man ein Stück natürlicher Landschaft oder ein Naturdenkmal unter Schutz stellen oder unter Schutz halten will, dann sollte man das Schutzobjekt in seinem ganzen realen Gehalt und mit allen seinen Besonderheiten darlegen können. Gerade in einer Zeit, welche durch die wissenschaftliche Durchdringung aller Bereiche der personalen und der gesellschaftlichen Existenz gekennzeichnet ist, sollte es leichtfallen, diese Überzeugung nachzuvollziehen. Ähnliches gilt, wie ich meine, für den Gedanken der Heimatpflege überhaupt. Er findet dann seine solideste Basis, wenn der Begriff Heimat" sich von den natürlichen, historischen und kulturellen Gegebenheiten her mit ganz konkretem Inhalt erfüllt. 

Zur Erfüllung eines wichtigen Desideratums, welches sich daraus für Naturschutz und Heimatpflege ergibt, haben die beiden Preisträger also einen vorbildlichen Beitrag geliefert. 

Aber noch eine weitere wichtige Frage scheint mir hier aufzutauchen. Vielleicht haben sie sich unsere Preis-träger manchmal selbst gestellt, vielleicht liegt sie manchen von Ihnen auf der Zunge: Was soll das Ganze, was hat denn das für einen vernünftigen Sinn und Zweck?" Sicher würden unsere beiden Forscher, wie jeder engagierte Wissenschaftler, zunächst die Antwort geben: Weil es uns Freude macht, und weil wir meinen, damit etwas Wertvolles zu leisten". Dahinter steht aber letzten Endes doch die Frage nach Sinn und Bedeutung reiner und zweckfreier Forschung, was immer ihr Gegenstand sein mag. Eine Antwort wurde erst vor kurzem in großartiger Weise von Professor Dr. Adolf Butenandt, dem Präsidenten der MaxPlanck-Gesellschaft, formuliert, als er bei der Jahrestagung dieser Institution die Errichtung des ersten großen Radioteleskops der Bundesrepublik in der Nähe von Bonn, -- also eines großen und aufwendigen Instrumentes der reinen, zweckfreien" Forschung -- ankündigte. Ich zitiere nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung": 

"Wir wollen in der Welt nicht nur leben und satt werden, wir wollen sie auch verstehen. Dieser Wille zum Verständnis, zur geistigen Durchdringung der Welt und zur Eroberung wissenschaftlichen Neulandes, das ist die eigentliche und ehrliche Antwort auf die Frage nach dem Warum. Jede andere Antwort, jeder noch so zutreffende und wichtige Hinweis auf spätere Anwendung ist demgegenüber zwar ein oft nötiger, im Grunde jedoch fauler Kompromiß. Natürlich trifft es zu, daß die reine zweckfreie Forschung die meisten Grundlagen für alle unsere technischen Errungenschaften und Fortschritte geliefert hat. Und es ist wahr, daß die zweckfreie Forschung äußerst rentabel ist, wenn man nur genügend weit in die Zukunft plant. Stellt man jedoch diese Betrachtungen in den Vordergrund, so ist damit die Forschung nicht mehr zweckfrei und ungebunden, sie geht an ihrer eigentlichen Aufgabe vorbei und stagniert. Ich glaube, es ist gut und nützlich in einer Zeit, in der die Nützlichkeit der Forschung immer wieder betont werden muß, sich einmal wieder an ihr inneres Wesen zu erinnern." 

Was hier im Zusammenhang mit einem spektakulären Forschungsprojekt gesagt ist, gilt für jede ernste wissenschaftliche Arbeit, die zweckfrei, um ihrer selbst willen getan wird, also auch für das Werk unserer beiden Preisträger. 

2) Es handelt sich um eine Gemeinschaftsarbeit. "Teamwork" ist bei allen Erörterungen über den modernen Wissenschaftsbetrieb ein vielzitiertes Wort. Es bezeichnet gar nichts anderes als das deutsche Gemeinschaftsarbeit". Ihre Notwendigkeit ergibt sich aus der sachlichen und methodischen Spezialisierung des modernen Wissenschaftsbetriebes. Der einzelne Forscher kann nur mehr ein enges Gebiet beherrschen. Er bedarf der ergänzenden Mitarbeit anderer Spezialisten zur Bewältigung einer wissenschaftlichen Aufgabe. 

Von Teamwork", von "Gemeinschaftsarbeit" können wir bei der Arbeit unserer Preisträger meines Erachtens in einer dreifachen Hinsicht sprechen. 

In einem ersten Sinne ist solches Teamwork" bei Faunisten und Floristen seit jeher selbstverständlich. Die Formenmannigfaltigkeit der einzelnen Organismen-gruppen ist so groß, daß der einzelne Forscher auch bei guten Allgemeinkenntnissen in schwierigen Fällen, bei komplizierten Formenkreisen des Rates spezieller Experten für Determination und Revision bedarf. Es ist eigentlich selbstverständlich, daß sich Koch und Lucht dieser Art der kollegialen Zusammenarbeit bedient haben. 

Ein zweiter Aspekt ist nicht so ganz selbstverständlich: Ich meine die Gemeinschaftsarbeit in der Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen. Diese Vereinigung wurde 1927 von F. Rüschkamp gegründet. Sie hat die Jahrzehnte überdauert und stellt zur Zeit wohl die lebendigste und aktivste Gruppe der biologischen Heimatforschung im Rheinland dar. Koch und Lucht sind seit langem Mitglieder dieser Arbeitsgruppe. Die Anregung und Belehrung, die sie dort erfahren haben, hat in ihren bedeutenden Eigenarbeiten reiche Frucht getragen. Zu unserer Freude sind sie nun auch eifrig bemüht, jüngere Mitglieder für ihre Wissenschaft zu begeistern und zu eigener Forschungsarbeit anzuregen. Sicher spreche ich im Sinne unserer Stipendiaten, wenn ich an dieser Stelle mit einem Wort dankbarer Anerkennung des getreuen Eckart dieser Vereinigung, des Herrn Rektors i. R. Karl Hoch gedenke, dem ich viele Unterlagen für diese Laudatio" verdanke. 

Aber noch in einem dritten Sinne muß von einer Gemeinschaftsarbeit gesprochen werden. Die große Siebengebirgs-Arbeit ist von Koch und Lucht gemeinsam verfaßt. Trotz wichtiger eigenständiger Leistungen jedes Einzelnen werden sie als ein wissenschaftliches Dioskurenpaar" in die Geschichte der naturhistorischen Erforschung der Rheinlande eingehen. Professor Pax hat den beiden die Anregung für die Inangriffnahme dieser umfangreichen Aufgabe gegeben. Er wußte wohl genau, warum er gerade diese beiden Forscher auswäh'lte. Der Erfolg gab ihm recht. Oft hat er mit mir mit höchstem Lob über die gewissenhafte und rasch voranschreitende Arbeit der beiden gesprochen. 

Und wer Ferdinand Pax kannte, wird mit darin übereinstimmen, daß er nicht gerade eine unkritische Natur war. Wie sich Koch und Lucht ihre vielseitige und vielschichtige Aufgabe geteilt haben, wie der eine den anderen in glücklicher Weise ergänzte, wissen wir im einzelnen nicht. Daß diese Zusammenarbeit gut organisiert war, zeigt der Erfolg. Die Anteile der einzelnen werden bei solcher erfolgreicher Gemeinschaftsarbeit nicht summiert, sondern potenziert. Ein Beispiel von Teamwork" im besten Sinne des Wortes! 

3) Unsere Steeger-Stipendiaten sind keine professionellen Wissenschaftler, sondern Laien, Autodidakten, Dilettanten, wie man so gemeinhin zu sagen pflegt. Keine dieser Bezeichnungen freilich will mir so recht gefallen. Der Begriff Laie" steht im Gegensatz zum Begriff des Fachmanns". Er trifft also nicht, was zum Ausdruck gebracht werden sollte. 

Wer könnte wirklich als Wissenschaftler Autodidakt sein, seinen Weg gehen, ohne sich vom anderen belehren zu lassen? Auch wer nicht ein planmäßiges Fachstudium betrieben hat, wird Bücher zu Rate ziehen müssen, er wird gerne und viel vom anderen lernen; und all dies straft ja schon den Wortsinn des Autodidakten" Lügen. 

"Dilettanten", das würde mir in seinem eigentlichen Wortsinne am besten gefallen, bedeutet es doch Liebhaber" also Begeisterte", Engagierte". Es würde die Sache am besten treffen, haftete dem Begriff des Dilettantismus" im heutigen Sprachgebrauch nicht so etwas wie unseriöse Halbheit oder Spielerei an. Und gerade das kann durchaus nicht gemeint sein. 

Wir müssen also schon etwas umständlicher formulieren, um genau zu sein: es handelt sich um Forscher, die ohne eine eigentliche wissenschaftliche Ausbildung ihre Wissenschaft nicht als Beruf, sondern aus innerer Berufung neben ihrem Beruf betreiben. Sie sind Laien und zugleich echte Fachleute. Sie sind Autodidakten und sie haben auch mit Eifer vom anderen gelernt, wo und wie sie es konnten. Sie sind Dilettanti" im ursprünglichen reinen Sinne des Wortes. 

Solche Forscherarbeit aus Berufung, aber außerhalb des Berufes, hat es immer gegeben, ehedem leider häufiger als heute. Ihre Leistungen sind sehr groß; auf vielen Gebieten der beschreibenden Naturwissenschaften, etwa der speziellen Systematik von Pflanzen und Tieren, der regionalen Floristik und Faunistik sind sie gar nicht wegzudenken. Um nur ein Fachgebiet zu nennen, dem ich mich persönlich besonders verbunden fühle, die Flechtenkunde: Was wäre die Lichenologle ohne den preußischen Major v. Flotow, den bayerischen Kreisforstmeister v. Krempelhuber, den Münchener Oberlandesgerichtsrat Arnold, ohne den Münsteraner Domkapitular Lahm, den Bäckermeister Sandstede aus Bad Zwischenahn? Damit sind nur ein paar Namen genannt, nur Deutsche, keiner der noch Lebenden. Für jedes Spezialgebiet ließen sich zahllose Beispiele anführen, natürlich auch für die Entomologie. Denken wir nur an die bereits einmal erwähnte Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Entomologen". 

Freilich gilt in etwa auch hier: Viele sind berufen, wenige auserwählt. Bei vielen jungen Menschen regt sich ein natürliches Interesse an den Gegenständen der Natur. Sie beginnen zu beobachten, zu bestimmen, zu sammeln. Nur bei wenigen hält die Liebhaberei durch. Und nur selten kommt es schließlich zu gültigen wissenschaftlichen Leistungen. Dazu bedarf es mehrerer Dinge: 

Ausdauer, Fleiß, Geduld, Konzentration, Opferbereitschaft, wie sie eben nur auf dem Boden von Begabung und Berufung gedeihen können; 

eine vernünftige Spezialisierung, ein Verzicht auf allzu große Breite zugunsten von Tiefe und Intensität; 

heutzutage schließlich der Mut, gegen den Strom anzuschwimmen". Solche Dinge sind heute nicht in der Mode". Der Lebensstil von heute schafft andere Leitbilder. 

Trotzdem ist diese Spezialistenarbeit von Laien" heute notwendiger als je. Aus Gründen, die hier nicht im einzelnen darzulegen sind, können ihre Aufgaben von den offiziellen" Forschungsstätten, etwa unseren Universitätsinstituten, überhaupt nicht, von der relativ geringen Zahl der Spezialisten an den Museen nicht in der wünschenswerten Breite durchgeführt werden. 

Forscher, wie Koch und Lucht, erbringen also einen wertvollen, ja unentbehrlichen Beitrag zur Wissenschaft insgesamt. Sie stehen in einer großen und stolzen Tradition. 

Ich habe oben, als ein Beispiel unter vielen, Heinrich Sandstede genannt. 

Was liegt näher, als uns hier und jetzt Albert Steegers zu erinnern, dem zum Gedächtnis das heute wiederum vergebene Stipendium vom Landschaftsverband Rheinland geschaffen wurde. Auch Albert Steeger war ein Laie", ein Autodidakt, ein Selfmademann, der auf allen seinen Arbeitsgebieten anerkannte wissenschaftliche Ergebnisse vorlegte. 

Ich glaube, Albert Steeger würde dem Entschluß des Landschaftsverbandes Rheinland, den Herren Koch und Lucht das Stipendium zu verleihen, mit ganzem Herzen zustimmen. Er würde es sich nicht nehmen lassen, den Preisträgern zu gratulieren und ihnen für weitere gute Arbeit alles Gute zu wünschen. 

Im Geiste Albert Steegers, im Namen dieser Festversammlung und im eigenen Namen möchte ich dies zum Schluß meiner Ausführungen tun.

Aus: Verein Linker Niederrhein Krefeld (Hrsg.) (1976): Albert-Steeger-Stipendium des Landschaftsverbandes Rheinland. - Niederrheinisches Jahrbuch 13, 117-133.

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