Erinnerungen an Klaus Koch
Mit dem Heuhaufen-Eremit am Bausenberg

Dieter Siede 

"Den kannst Du übernächste Woche selbst fangen, wenn wir zum Bausenberg fahren. Du kommst doch mit?" Ich war schon begeistert, mein Vater mußte noch überzeugt werden, mich von Essen bis in die Eifel zu fahren. Herr Koch (Klaus durfte ich erst viele Jahre später sagen, was ich denn auch als Aufnahme in den Käferorden empfand) hielt den Rüsselkäfer, ich glaube es war Mitoplinthus caliginosus, zwischen den von Konservierlösung feuchten Fingern. "Den hier lassen wir lieber im Alkohol; diese krummen Hunde kriegst Du doch nicht mehr anständig präpariert". Etwas enttäuscht darüber, das interessante Tier nicht behalten zu dürfen, aber mit dem festen Willen zur Exkursionsteilnahme hörte ich Herrn Koch weiter zu. "Das was wir heute hier machen, ist eigentlich nicht unsere übliche Beschäftigung. Hier sortieren wir sogenanntes Fallenmaterial. Anständige Käferleute stellen normalerweise keine Fallen auf. Die Wissenschaftler aber wissen nicht, wo die Käfer sitzen. Außerdem wollen sie ganz viele Tiere, damit sie viel zählen müssen und große Tabellen drucken können. Deshalb stellen sie Bodenfallen mit Formol auf. Das ist übrigens das Zeug, das hier im Saal so im Hals kratzt. Dann merken sie aber, daß sie die ganzen Käfer nicht bestimmen können. Manchmal finden sie dann Fachleute, die das für sie machen. So wie wir jetzt. Ganz umsonst. Titel und Ehren bekommen die Herren Wissenschaftler. Wir bekommen manchmal eine Fußnote im Text. Etwa so: "... die folgenden Herren haben bei der Determination schwieriger Arten geholfen." 

So oder doch fast so war mein Einstieg bei den Rheinischen Koleopterologen im April 1971. Wir haben das Fallenmaterial gemeinsam vorsortiert. Bestimmt hat sie danach Klaus Koch. Er mußte immer eine Fleißarbeit haben und diese auch bis zu Ende führen. Vorher aufhören konnte er nicht, auch wenn dies vielleicht manchmal besser ist. Nun gut, das war die Härteprobe für mein Interesse. Nach dieser Formolfolter konnte es nur noch besser werden. Ich blieb dabei und wurde reich belohnt. 

Die nächste Veranstaltung war die Bausenberg-Exkursion. Vater konnte von der Notwendigkeit der Autofahrt überzeugt werden, und das Wetter paßte auch. Jetzt war Klaus Koch in seinem Element. Er war ein richtiger Käferliebhaber, und das ist ganz und gar positiv gemeint. Er liebte die Natur und "seine" Käfer. Er sammelte sehr behutsam und zeigte mir, wie ich erfolgreich auch die besten Arten fangen konnte. "Du brauchst die Pflanzen nicht kaputtzukloppen, die Käfer lassen sich schon beim leichten Antippen fallen. Nur das Netz mußt Du richtig darunterhalten. Schau auch einmal da vorne an den Königskerzen nach, da findest Du sicher noch etwas Neues für Deine Sammlung". Zu jeder Pflanze wußte er die Bewohner aus dem Reich der Käfer. Sein Wissen gab er bereitwillig an mich weiter. Am Abend hatte ich mehr Käfer gesammelt als jemals zuvor. Darunter Edelsteine des Südens für mich als Kind aus dem damals noch recht rußigen Ruhrgebiet. 

Exkursion in den Meererbusch im Juni 1973. Ein Longitarsus ist vom Klopftuch gesprungen, Hans Gräf, Dieter Siede und Klaus Koch schauen hinterher.

Bald hatte Klaus Koch allerdings seinen neuen Schüler weitergereicht an Hans Gräf und Alfons Evers. Klaus Koch hat gern erklärt, gern beim Kaffee oder beim Glas Wein erzählt und gelacht. Draußen mußte er aber ab und an allein sein mit seiner Arbeit. So entschwand er auch am Bausenberg nach einiger Zeit. Später traf ich ihn "in" einem großen Haufen aus altem Heu wieder, das ihm der Bauer sicher gern überlassen hätte, wenn er dann darum gefragt worden wäre. Klaus Koch untersuchte ohne große Ausrüstung, nur mit einem kleinen Klopftuch bewaffnet die "richtigen Stellen". "Schön feucht und ganz unten" waren die, wie ich mir erklären ließ. In seinem Gläschen waren nicht sehr viele Käfer. Nur ein oder zwei von jeder Art, die er bereits draußen kannte und die, welche er draußen noch nicht sicher zuordnen konnte. Trotzdem wurde seine Artenliste lang und spannend zu lesen. Die Käfer-Lebensräume blieben weitgehend unversehrt, der Flurschaden kaum zu erkennen. Der "Käferfriedhof" in den Kästen beschränkte sich auf das notwendige Minimum. Außerdem wurden die meisten Präparate gleich in die Landessammlung weitergegeben. Das Besitzenwollen war bei Klaus Koch nicht sehr ausgeprägt. Eine Eigenschaft, die ich erst später begreifen konnte; das ist auch noch nichts für Anfänger. 

Nach der Exkursion lernte ich Klaus Kochs zweite Seite kennen: Der Heuhaufen-Eremit mauserte sich beim Wein zum glänzenden Erzähler. Manches Mal haben wir uns gebogen vor Lachen, wenn er von früheren Exkursionen erzählte, von den großen Funden und den kleinen Mißgeschicken der Freunde. Viele weitere Tage mit Klaus Koch könnte ich hier schildern, möchte es aber bei diesem kleinen Ausschnitt belassen. In den folgenden Jahren habe ich von Klaus Koch die beiden schönen Seiten der Käferkunde gelernt: Die wissenschaftliche Arbeit bei größtmöglicher Schonung der Natur und das gesellige Beisammensein mit gleichgesinnten Kollegen und lieben Freunden. Das gefiel mir und vielleicht bin ich deshalb dabei geblieben. 

So habe ich viele Tagungen, Exkursionen und private Treffen erlebt. Klaus war immer dabei und war unser "guter Geist". Er hielt die Gruppe zusammen und übernahm ohne Murren stets einen Großteil der Arbeit. "Bring die Bausenberg-Ausbeute mit, wenn Du die Käfer präpariert hast. Versuch aber erst einmal, selbst zu bestimmen! Ich mache dann den Rest und schreibe alles auf. Du bist auf jeden Fall als Mitarbeiter in der Veröffentlichung erwähnt!". Das motivierte, und hielt die Stimmung in der Gruppe oben. Keiner wurde von Klaus beleidigt, weil er nicht so fleißig war, oder Fehler gemacht hat. Auch das ist Charakter, der mich geprägt hat. Viele schöne Erinnerungen an eigene Erlebnisse kommen mir in den Sinn, wenn ich an Klaus denke, Erlebnisse, die ich nicht missen möchte. 

Schließen möchte ich mit einem Wunsch, über dessen Erfüllung sich Klaus sicher freuen würde: daß seine Art, Koleopterologie zu betreiben, nicht aufhört, sondern viele Freunde in seinem Sinne weitermachen, bis auch sie die niemals ganz fertige Arbeit an die nächste Generation weitergeben müssen.

Nachlese auf der 50. Tagung der Arbeitsgemeinschaft am 12. Januar 1958 in Köln. Klaus Koch sitzt links außen neben Karl Hoch.
 

Aus: GRÄF, H., F. KÖHLER, W. KOLBE, W. LUCHT & D. SIEDE (1995): Erinnerungen an Klaus Koch. - Mitt. Arb.gem. Rhein. Koleopterologen (Bonn) 5, 131-148.

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