Erinnerungen an Klaus Koch
Es begann mit einer "Patenschaft"

Wilhelm Lucht 

Als sich die Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen nach dem Krieg mit einigen Überlebenden und einigen Neulingen wieder zu einem kleinen Kreis zusammenfand, machte der Vorsitzende, Karl Hoch, den Vorschlag, daß sich die älteren Mitglieder der jüngeren annehmen sollten, um sie bei ihrer Arbeit hilfreich zu unterstützen. Da hierzu eine möglichst nachbarliche Nähe von Vorteil war, bekam ich im Zuge dieser "Patenschaften" Kontakt zu dem ebenfalls in Düsseldorf wohnenden Kollegen Carl Koch, der der Arbeitsgemeinschaft schon seit langem angehörte und sich koleopterologisch hauptsächlich mit Rüsselkäfern beschäftigte. 

Wenn es sich einrichten ließ, fuhr ich hin und wieder nach Düsseldorf-Lohausen, wo die Familie Koch am Rande der Stadt idyllisch im Grünen wohnte. Bei diesen Besuchen erhielt ich brauchbare Tips für die Praxis, vor allem aber Bestimmungshilfe und auch determiniertes Vergleichsmaterial für die langsam wachsende Sammlung. Im Laufe der Gespräche beklagte Carl Koch bisweilen, daß sich keiner seiner beiden Söhne für Entomologie interessieren würde und bedauerte, daß seine Sammlung und die Bibliothek somit nicht innerhalb der Familie weitergeführt würden. 

Einige Jahre später sollte sein Wunsch jedoch in Erfüllung gehen. 1952 wurde bei Klaus Koch das Interesse an Käfern geweckt, als er hin und wieder seinen Vater und den mit ihm befreundeten Dr. Büttner auf Exkursionen begleitete und bei ihrem gemeinsamen Studium der Rüssler als Übersetzer französischer Bestimmungsliteratur half. Der dabei gelegentlich notwendige Blick durchs Binokular weckte das Interesse an den faszinierenden Tieren und löste schließlich den zündenden Funken aus, der zur lebenslangen intensiven und erfolgreichen Beschäftigung mit der heimischen Käferwelt wurde. 

Tagung der Arbeitsgemeinschaft am 28. April 1963 im Zoologischen Institut der Universität zu Köln. Klaus Koch steht links zwischen Vater Carl Koch und dem Vorsitzenden Karl Hoch.

Natürlich lag es nahe, daß ich bei meinen weiteren Besuchen in Lohausen Klaus Koch kennenlernte und wir uns bald anfreundeten. Klaus war drei Jahre jünger, und somit verband uns außer dem gemeinsamen Interesse an Käfern auch das gleiche Schicksal der Kriegsgeneration mit Fronteinsatz, Gefangenschaft und Mittellosigkeit nach der Rückkehr und dadurch zwangsläufig bedingtem Verzicht auf ein ursprünglich geplantes Studium. So wandten wir uns intensiv der Erforschung der heimischen Käferwelt zu, wobei wir uns in Ermangelung eines Autos auf die Umgebung von Düsseldorf beschränkten. Meererbusch, Lank, die Rheinufer, der Ratinger Wald und andere verlockende Nahziele waren beliebte Jagdgründe und konnten ohne absurde Naturschutzgesetze besammelt werden.

Otiorhynchus armadillo ROSSI aus dem Siebengebirge, Zeichnung Klaus Koch.

Dabei begab es sich eines Tages, daß Klaus Koch an einer abgelegenen Stelle sammelnd plötzlich von schußbereiter Polizei umzingelt wurde, die sich freudig erregt am Ziel ihrer Fahndung wähnte. In der Gegend hatte sich nämlich ein Mord zugetragen, und so wurde allenthalben im Umfeld nach dem Täter gesucht. Dabei stieß man denn auf den einsam im Gelände mit verdächtigen Geräten hantierenden und nicht gerade gesellschaftsfähig gekleideten Klaus, der schließlich anhand seiner Ausbeute überzeugen konnte, daß er an dem tragischen Ereignis völlig unschuldig sei, da er sich beim Töten ausschließlich auf Wirbellose beschränken würde. Zur großen Enttäuschung einerseits und Erleichterung andererseits konnte er sich dann wieder als freier Bürger in freier Wildbahn ungestört dem Klopfen und Käschern hingeben. 

Eine besonders erfreuliche Gemeinschaftsarbeit ergab sich, als ich 1956 anläßlich der Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft in Köln über meine Sammelergebnisse in der Eifel berichtete und anschließend von Professor Pax gebeten wurde, mich an der von ihm initiierten zoologischen Erforschung des Siebengebirges und Rodderbergs zu beteiligen. Da vorauszusehen war, daß ich aus Zeitmangel die Terminvorstellungen nicht einhalten konnte, habe ich letztlich unter der Voraussetzung zugesagt, daß auch Klaus Koch die Beteiligung an dem vom Kultusministerium finanziell geförderten Projekt bewilligt würde. Nachdem das geklärt war, starteten wir am 25. Mai 1957 unsere erste Exkursion. Als "Basislager" wählten wir das romantische Rheinstädtchen Rhöndorf, das dank seiner Lage ideale Voraussetzung zum Aufstieg auf den Drachenfels und die Wolkenburg bietet und durch das weitläufige Rhöndorfer Tal bequem zu den übrigen der sieben Berge führt. Hier fanden wir ein günstiges Quartier und ein gemütliches Lokal, in dem uns "Pitter", eine rheinische Frohnatur, die Spezialitäten seines Hauses servierte. 

Insgesamt führten wir in den Jahren 1957/58 35 erfolg- und erlebnisreiche Wochenendexkursionen durch. Lebendig bleiben Erinnerungen an den sonnendurchglühten Steinbruchkessel bei Oberkassel, wo wir bei Temperaturen wie im Tal des Todes Quasimus minutissimus sammelten, oder die Wolkenburg, auf der sich oberhalb der 120 m hohen Steinbruchwand in Anzahl Otiorhynchus armadillo fand. Daß wir bei strömendem Regen auf dem Rodderberg nur unter Schirmen der Suche an Schafdung, unter Steinen und Rinden nachgehen konnten, blieb zum Glück eine Ausnahme. Meist hatten wir so optimales Sammelwetter, daß bei abendlicher Rückkehr, erhitzt von der Jagd, das erste Bier auf der Zunge verdunstete. Das Ergebnis der zweijährigen Untersuchung wurde in einem 181seitigen Beiheft der Decheniana niedergelegt. In Anerkennung dieser ersten umfassenden Käferfauna eines deutschen Naturschutzgebietes wurden wir 1964 zu Korrespondierenden Mitgliedern des Naturhistorischen Vereins der Rheinlande und Westfalens ernannt und 1966 mit dem Albert-Steeger-Stipendium des Landschaftsverbandes Rheinland ausgezeichnet. 

Klaus Koch Anfang 1993 zu Besuch bei Wilhelm Lucht in Langen.

Noch viele weitere Exkursionen haben wir gemeinsam unternommen und manch frohe Stunde beim Beaujolais verbracht bis ich 1968 beruflich nach Frankfurt versetzt wurde. Aufgrund der Entfernung und des chronischen Zeitmangels bei 60- bis 85stündiger Wochenarbeit wurde der persönliche Kontakt auf die Teilnahme an Tagungen, auf Korrespondenz und Telefonate beschränkt. Der freundschaftlichen Verbundenheit wurde dadurch aber kein Abbruch getan. 

In den letzten Jahren zeichnete sich bei Klaus eine bösartige Erkrankung ab, die zwar vorübergehend eingedämmt wurde, 1994 aber erneut durchbrach und trotz aller ärztlichen Bemühungen nicht bezwungen werden konnte. Am 11. April 1995 starb Klaus Koch kurz nach Vollendung seines 70. Lebensjahres in seiner Geburtsstadt Düsseldorf. Trotz aller körperlichen Belastungen durch die monatelange Behandlung mit Strahlen- und Chemotherapie hat er noch bis zur letzten Stunde unermüdlich an den Ökologie-Bänden der "Käfer Mitteleuropas" gearbeitet, von denen bisher sieben erschienen sind und ein weiterer Band als Manuskript vorliegt. 

Erfreulicherweise wurde ihm 1993 in Jena "in Anerkennung und Würdigung sowohl der jahrzehntelangen intensiven Erforschung der Rheinischen Käferfauna als auch der Dokumentation ökologischer Grundlagen der Coleopteren Mitteleuropas" als einem der ersten Entomologen von der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie die Meigen-Medaille verliehen. 

Die Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen hat mit ihrem Ehrenmitglied und langjährigen Vorsitzenden Dr. Klaus Koch eines ihrer aktivsten und verdienstvollsten Mitglieder verloren. In seinem Werk aber wird er weiterleben und im Gedenken all derer, die ihn als lebensfrohen Menschen und stets hilfsbereiten Kollegen schätzen gelernt haben. Mir und seinen anderen Freunden wird er allzeit in lebendiger Erinnerung bleiben. 

Aus: GRÄF, H., F. KÖHLER, W. KOLBE, W. LUCHT & D. SIEDE (1995): Erinnerungen an Klaus Koch. - Mitt. Arb.gem. Rhein. Koleopterologen (Bonn) 5, 131-148.

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