Käfermakros mit der Canon EOS 300D und einem Retroadapter
von Claus Weisenböhler

Die Rückkehr zu den Insekten

Die großen ökonomischen und technischen Vorteile der digitalen Fotografie haben nicht nur zu einem allgemein gesteigerten  Interesse an der Fotografie, sondern auch zu einer regen Zunahme der Beschäftigung mit Naturobjekten geführt. Insbesondere Insekten verbreiten eine besondere Faszination. Für den Nicht-Entomologen sind  sie aus der Ferne betrachtet  sehr fremd. Die Vorstellung alleine ist meist mit Ekel Abscheu und diffusen Ängsten verbunden: Ekel vor Maden und Würmern, Angst vor Stichen (Bienen, Wespen, Mücken), Vorurteile über Schädlichkeit oder die nahezu unverständliche aber omnipotente Angst vor Spinnen und noch vieles mehr. Die meisten Menschen hegen dieser Gruppe unserer Mitbewohner gegenüber wenig Sympathie, aber doch sind sie ständig um uns.

Wer in der Natur mit seinem Fotoapparat unterwegs ist und sich dank verbesserter Kameratechnik einmal mit Insekten befasst, lernt so schnell eine faszinierende Vielfalt kennen und die Scheu weicht neugieriger Bewunderung. Das gilt umso mehr für Tiere die sich durch ihre Kleinheit unserem täglichen Blick entziehen geschweige denn dass wir Details aus deren interessantem Körperbau sehen würden. Diese Dinge erschließen sich erst wenn man sich der Sache intensiver nähert , womit wir bei der Makrofotografie angekommen sind. Abb. 1: Mit der digitalen Spiegelreflexkamera Canon EOS 300D - hier der Body -  wurden die folgenden Aufnahmen gefertigt.
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Der Begriff ist weit dehnbar und wird teilweise schon bei der Fotografie relativ großer Objekte angewandt. Die Kamerahersteller schmücken sich bzw. ihre Objektive auch gerne mit dem Zusatz ‚Makro' weil dieser offenbar verkaufsfördernd ist. Doch gerade bei diesem Feature finden sich bei den Kameras die größten Unterschiede. Leider herrscht sowohl bei Verkäufern als auch in einschlägigen Tests diverser Publikationen viel Unkenntnis über die speziellen Makroeigenschaften vor allem digitaler Kompaktkameras. Meist wird als Kriterium der ‚Mindestabstand' herangezogen, mit welchem eine Aufnahme möglich ist – diese Aussage alleine ist jedoch beileibe kein entscheidendes Kriterium für den praktischen Nutzen der Kamera für die Makrofotografie.
Fotos häufiger großer Käfer mit der EOS 300D im "Normalbetrieb" = Kamera und Makroobjektiv
Adalia decemopunctata
Altica cf. oleracea
Chrysolina coerulans
Crepidodera aurata
Cryptocephalus moraei
Cryptorhynchus lapathi
Donacia vulgaris
Leptura maculata
Lilioceris merdigera
Oberea oculata
Oedemera lurida
Pachytodes cerambycif.
Richtig nah heran mit einem Retroadapter

Wer sich dem Thema widmet, kann in dieser Hinsicht zahlreiche schmerzliche Erfahrungen machen und sollte sich vor dem Kauf einer Kamera und Zubehör gut informieren. Mittlerweile liefern viele Kameramodelle brauchbare Fotos von größeren Insekten und so wundert es nicht, dass insbesondere die Insektenklassiker Libellen, Tagfalter, Heuschrecken und größere Wespen, Fliegen und Käfer zu den beliebtesten und leider auch massenhaft redundanten Motiven gehören. Wer sich mit Käfern beschäftigt, weiß allerdings auch, dass sich die Mehrheit der Arten im Bereich von 2 bis 4 mm Körpergröße tummelt und mit vergleichsweise wenigen Ausnahmen noch nie lebend fotografiert wurden.

Dies soll zum Anlaß genommen werden, über die Möglichkeiten zu berichten mit einer digitalen Spiegelreflexkamera (Canon EOS300D) in Verbindung mit einem Retroadapter (Novoflex) Lebendaufnahmen anzufertigen, die als eine optimale und preiswerte Lösung für die Fotografie im Nahbereich angesehen werden kann. Zum Einsatz kommt dabei das Standardobjektiv Canon EF 18-55 mm Zoom, das im Kit angeboten wird.
Der Retroadapter dient dazu, eine umgedrehte Montage eines EOS-Objektives an die EOS-Kameras zu ermöglichen. Das Besondere an dieser (aufwändigen) Lösung ist , dass alle Steuerfunktionen im Objektiv voll erhalten bleiben. Dies wird dadurch erreicht, dass an den Kamerabody zunächst ein Ring angeflanscht wird, welche die elektrischen Kontakte an der Kamera abgreift. Über verschiedene Zwischenringe wird nun ein Objektiv in umgekehrter Stellung auf den Ring geschraubt. Auf die Rückseite des Objektivs wird nun der zweite Teil des Retroadapters aufgeschraubt (Bajonett). Die beiden Teile sind dabei mit einem Spiralkabel verbunden, welches bis circa 20cm lange Objektivkonstruktionen überbrücken kann. Die Elektrik ist somit wieder wie bei der Standardmontage miteinander verbunden.  Abb. 2: Das Standard Objektiv der digitalen Canon-Kameras, das EF 18-55 mm Zoom.
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Gegenüber einer preiswerten Retro-Lösung, welche nur aus einem einfachen Adapter (Bajonett/Gewinde/Objektiv) besteht ist hier die Blendensteuerung voll funktionsfähig. Dies ist meines Erachtens auch unabdingbar, da man nur so bei voller Blendenöffnung durch das Objektiv schauen kann und die notwendige Helligkeit erhält, um die Scharfstellung vornehmen zu können. Gleichzeitig kann man eine kleine Blende bei der Aufnahme wählen, um etwas mehr Tiefenschärfe zu erzielen.

Objektive und Abbildungsmaßstab

Das Objektiv sollte selbstverständlich möglichst gute Abbildungseigenschaften aufweisen.  Nicht jedes für die Ferne optimal konstruierte Objektiv eignet sich jedoch zwangsläufig genauso gut für Makroaufnahmen. Spezielle Makroobjektive wie das Tamron SP90 sind so konstruiert dass man mit ihnen stufenlos von Unendlich bis zu einem Abbildungsmaßstab von 1:1 scharfstellen kann. Das heißt ein 36mm breites Objekt wird auf dem Negativ mit 36mm Breite abgebildet. Bei einer digitalen Spiegelreflexkamera ergibt sich durch den kleineren Chip dass ein 24mm Objekt genau in Chipbreite abgebildet wird. Größere Abbildungsmaßstäbe erzielt man nur dadurch, dass man das Objektiv von der Kamera entfernt. Hierzu werden Zwischenringe verwendet die üblicherweise in Abstufungen 10 / 20 / 40 mm erhältlich sind. Noch mehr Verlängerung erhält man mit einem Balgengerät. 
Bei beiden Varianten gibt es billige Lösungen ohne Übermittlung der Blendenwerte und teure Varianten mit Übermittlung, welche jedoch unbedingt vorzuziehen sind. Und die dritte Variante ist es, das Objektiv verkehrt herum an die Kamera zu bauen: mit dem Retroadapter. Hiermit lassen sich je nach Brennweite des umgedrehten Objektivs erstaunliche Abbildungsmaßstäbe erzielen. Hierbei kommen im Gegensatz zur Verwendung von Nahlinsen keine zusätzlichen optischen Elemente mit ins Spiel, die sich negativ auf die Bildqualität auswirken könnten. Im Gegenteil. Das Objekt nimmt nun sozusagen die Stelle des Films ein und für diese Entfernung sind die Objektive schließlich gebaut worden. Die Strahlen passieren von der umgedrehten großen Frontlinse nur noch den zentralen Teil. Und dieser weist von allen Stellen der Linse bekanntlich die wenigsten Qualitätsprobleme auf. Wie auch immer dieses "Wunder" zustande kommt – das Ergebnis kann sich sehen lassen. Abb. 3: Novoflex-Retroadapter am Objektiv.
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Während viele der digitalen Kompaktkameras gerade im Makrobereich oft tonnenförmige Verzeichnungen aufweisen, so ist dies bei der Retrovariante kaum wahrnehmbar. Das Bild ist scharf bis in die Ecken, während bei einem Einsatz.einer Nahlinse mit hoher Dioptrienzahl manchmal nur die Mitte des Bildes ordentlich abgebildet wird und nach außen hin Verzeichnungen und Unschärfe auftreten können.

Der erzielbare Abbildungsmaßstab hängt von der Brennweite des Objektivs ab. Und zwar wird diese umso größer, je weniger Brennweite das Objektiv hat. Also wird es doch wieder teuer? Mitnichten. Nun kommt uns ein Umstand entgegen. Da seit langer Zeit die Spiegelreflexkameras mit einem Standardzoom 35-80mm verkauft wurden, wollte wohl Canon ein vergleichbares Objektiv auch der digitalen EOS300D mitgeben. Durch den Brennweitenverlängerungsfaktor von etwa 1.5 bei Digitalkameras wäre ein 35-80 jedoch zum 48-120 mm Objektiv geworden. Also hat man ein neues preiswertes Objektiv konstruiert, welches auch den der digitalen Kamera eine vernünftige Weitwinkelbrennweite aufweist: das EFS 18-55 (umgerechnet 27-83), das dann im Verkaufspaket jeder EOS300D beiliegt. Dieses Objektiv wird nun in einschlägigen ‚Fachkreisen' als Plastikschrott verschrien (billig) erweist sich jedoch mit dem Retroadapter als Goldstück. 
Nicht nur, dass man damit mit 18mm Brennweite in gewaltige Tiefen vordringt – auch der Zoom ist für die praktische Arbeit von ungemeinem Vorteil. Unter der Strich erzielt man mit diesem Objektiv Abbildungsmaßstäbe zwischen 4,4:1 (18mm) und 0.9:1 (55mm). Das entspricht einem formatfüllenden Original zwischen 5.2 mm  und 26 mm. Erst bei langer Brennweite – also bei den kleineren Abbildungsmaßstäben – werden optische Schwächen deutlich. Durch das Zoomobjektiv kann nun auf sehr komfortable Weise das dem Tier entsprechende Aufnahmeformat eingestellt werden.  Abb. 4: Kombination aus Digitalkamera, Retroadapter und Zoom-Objektiv.
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Auf eine Schärfeeinstellung am Objektiv kann verzichtet werden und stattdessen rein durch Variation des Abstandes zwischen Kamera und Tier erfolgen. Ebenso empfiehlt es sich den Autofocus grundsätzlich auszuschaltent, da die Entfernungseinstellung am Objektiv mit sehr wenig Kraftaufwand erfolgt, während durch das Spiralkabel des Retroadapters eine starke Zugkraft ausgeübt wird. Aufgrund des hellen und klaren Sucherbildes ist eine manuelle, feinfühlige Entfernungseinstellung durch Bewegen der Kamera gut möglich.
Springschwanz Orchesella villosa an Totholz
(Michael Marx det.)
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Portrait Ernobius mollis
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Teil 2 mit Ergebnis-Beispielen und Problemlösungen folgt