Wiederfund von Hypera striata in Deutschland

Hypera striata (Boheman, 1834) am Kaiserstuhl -
Wiederfund für Deutschland (Col., Curculionidae)

Frank Köhler & Gabi Krumm
Am 26. April 2009 fand Gabi KRUMM in den westexponierten Weinbergen bei Bötzingen am Kaiserstuhl (Abb. 1) an Vicia sepium eine leuchtend grüne unbekannte Käferlarve (Abb. 2). Diese wurde mit Teilen der Wirtspflanze eingetragen und anschließend in einer Kunststoffdose groß gezogen, wobei die Entwicklung aller Stadien fotografisch dokumentiert wurde. 

Bereits am 30. April 2009 konnte ein etwa 5 bis 6 mm großer Kokon (Abb. 3) festgestellt werden, in dem sich die Larve verpuppte. Am 16. Mai 2009 schlüpfte hieraus schließlich der fertige Käfer (Abb. 4). der sich durch ein auffälliges Streifenmuster auszeichnete.

Die Bestimmung als Hypera striata (Boheman, 1834) erfolgte anhand der Fotobelege durch Frank KÖHLER und wurde von Herbert WINKELMANN  (Berlin) freundlicherweise bestätigt. Der Beleg wird an das Staatliche Museum für Naturkunde in Stuttgart gegeben.
Abb. 1: Fundort der Larve von Hypera striata am Kaiserstuhl bei Bötzingen (Baden-Württemberg).

Abb. 2 bis 4: Entwicklungsstadie von Hypera striata - Larve, Puppe im Konkon, Imago (alle Fotos G. KRUMM).

Hypera striata, die oligophag auf Vicia-Arten lebt (KIPPENBERG 1981), ist in Europa vom  Südosten bis Österreich. Italien und Frankreich verbreitet (Abb. 5). Im Osten erstreckt sich das Areal der Art bis Kleinasien und Syrien (KIPPENBERG 1983). Die Art ist wahrscheinlich überall selten bis sehr selten, worauf zumindest die wenigen Treffer einer Internetrecherche  hindeuten, die gerademal 191 Ergebnisse liefert, wovon die überwiegende Mehrheit auf Checklisten, Rote Listen, Sammlungsverzeichnisse und ähnliches entfallen. Eine entsprechende Google-Suchmaschienenabfrage ergibt für Hypera postica 12.500 Treffer (Tab. 1, Abb. 6).

Abb. 5: Verbreitung von Hypera striata in Europa (Quelle http://faunaeur.org, 4.06.2009, vereinfachte Darstellung).


Tab. 1 / Abb. 6: Google Suchmaschienentreffer (4.06.2009) für in Deutschland nachgewiesenen Hypera-Arten. Abb. 6 = Web-Suche, ohne Hypera postica (12.500), rot unterlegt sind Arten der Roten Liste Deutschlands (GEISER 1998) -  Tab. 1 = Google-Treffer für "Seiten auf deutsch" (dt), aktuelle (akt) Nachweise und alte Meldungen (alt) in 18 deutschen Regionen laut Käferverzeichnis (Datenbank KÖHLER 4.06.2009).
Hypera-Art dt akt alt
pandellei 010 03  
arundinis 038 06 6
denominanda 007 01  
striata 023   1
contaminata 038 07 2
pastinacae 009 04 1
kunzii 010   1
viciae 062 13 2
venusta 039 17 1
adspersa 205 18  
fuscocinerea 041 12 2
ononidis 013 08  
diversipunctata 043 18  
suspiciosa 102 18  
plantaginis 112 18  
arator 094 18  
rumicis 232 18  
meles 110 18  
nigrirostris 095 18  
postica 727 18  

Aus Deutschland existiert lediglich ein historischer Nachweis aus Bayern aus den Jahren vor 1950 (GEISER & KÖHLER 1998), der auf einen Eintrag im Verzeichnis der Käfer Mitteleuropas zurückgeht (HORION 1951). Auf welchen Publikationen oder Belegen diese Meldung beruht, bedarf noch der Klärung. Unter Umständen handelt es sich um einen deutlich älteren Nachweis, da schon REITTER (1916) die Art unter dem Namen "Phytonomus striatus" aus "Bayern, Anhalt, Mark Brandenburg" erwähnt. Da viele alte Verbreitungsangaben REITTERs auf weniger zuverlässige Quellen zurückgehen, kann davon ausgegangen werden, dass HORION die Angaben für Brandenburg und Sachsen-Anhalt bereits verworfen hatte.

1997 wurde Hypera striata erstmals im südlichen Elsaß in der Rheinebene bei Réguisheim von Claude SCHOTT an einem Ufer gekeschert (SCHOTT 2000), so dass eine Wirtspflanze (Lathyrus pratensis, L. hirsutus, Vicia sp.) nicht mit Sicherheit angegeben werden konnte und die Empfehlung ausgesprochen wird, nach Larven zu suchen und diese großzuziehen. Inzwischen liegen auch schon Nachweise aus der Schweiz und Südmähren / Tschechien vor (SKUHROVEC i.l. 2009).

Da es relativ unwahrscheinlich ist, dass der Käfer über lange Zeit im gut untersuchten Südwesten Deutschlands übersehen wurde, markiert der elsäßer Fund möglichweise den Beginn einer Einwanderung des Rüsselkäfers entlang des Oberrheines nach Deutschland. Ob es sich um ein Reliktvorkommen am Wärmestandort Kaiserstuhl oder eine Arealerweiterung im Zuge der Klimaerwärmung handelt, müssen weitere Nachweise zeigen. Die potentiellen Wirtspflanzen sind teilweise so häufig, dass dies durch gezielte Suche möglich sein sollte. Zur Bestimmung der Larven sei hierzu auf die Tabelle von SKUHROVEC (2006) verwiesen.

Literatur
GEISER, R. (1998): Rote Liste der Käfer (Coleoptera), in: BINOT, M., R. BLESS, P. BOYE, H. GRUTTKE & P. PRETSCHER (Bearb.): Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. – Schrr. Landschaftspflege Natursch. (Bonn-Bad Godesberg) 55, 168–230.
GEISER, R. & F. KÖHLER (1998): Bayern, in: KÖHLER, F. & B. KLAUSNITZER (Hrsg.) (1998): Verzeichnis der Käfer Deutschlands. - Ent. Nachr. Ber. Beiheft (Dresden) 4.
HORION, A. (1951): Verzeichnis der Käfer Mitteleuropas (Deutschland, Österreich, Tschechos­lowakei) mit kurzen faunis­tischen Angaben, 2 Bde. - Kernen, Stuttgart.
KIPPENBERG, H. (1983): 22. Unterfamilie Hylobiinae, in: Freude, H.; Harde, K. W.; Lohse, G. A. (Hrsg.): Die Käfer Mittel­euro­pas Band 11, Krefeld, 121-154.
REITTER, E. (1916): Fauna Germanica. Die Käfer des Deutschen Reiches. V. Band. - Stuttgart.
SCHOTT, C. (2000): Catalogue et Atlas des Coleopteres d´Alsace. Tome 11 Curculionidae (2), 1-151 - Strasbourg.
SKUHROVEC, J. (2006): Descriptions of larvae of the tribe Hyperini (Coleoptera, Curculionidae): II. Mature larvae of the subgenera Antidonus, Eririnomorphus,
Dapalinus and Boreohypera of the genus Hypera Germar, 1817. - Entomologica Basiliensia et Collectionis Frey (Basel) 28, 365-396.