Anmerkungen
zu Parandra brunnea |
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Anmerkungen zum
heutigen Vorkommen von Parandra brunnea (F.)
(Coleoptera,
Cerambycidae) im Stadtgebiet von Dresden
Gerhard
Katschak
Anlässlich eines Ferienaufenthaltes
in Dresden Ende August konnte ich den schon lange gehegten Plan, Parandra
brunnea (F.) im Originalbiotop, am loc.class. aufzusuchen, verwirklichen.
Die aus Nordamerika zu Beginn des Jahrhunderts (ca.1915) in Dresden eingeschleppte
Art hat sich offenbar rasch etabliert, was die vielen Fundangaben im Horion`schen
Faunistikwerk (Faunistik,Band XII,S.1) belegen. Bis in die späten
sechziger Jahre kommen dann mit zeitlich grösser werden Abständen
weitere Fundmeldungen dazu. Nach den letzten mir zugänglichen Funddaten
(1966) sind allerdings keine
aktuelleren Meldungen in der Literatur
aufzufinden. Auch im engeren und weiteren Entomologenkreis waren aktuelle
Daten nicht zu bekommen. Dies gilt sogar für einige in und um Dresden
ansässige Coleopterologen, die mir auch kein neueren Informationen
liefern konnten.
So machte ich mich dann am Nachmittag des
27.August 2004 auf, um bei schönem, trockenen Wetter den Fundort aufzusuchen,der
in der Literatur am häufigsten genannt wurde: Das Ostra-Gehege im
Altstädter Elbbogen. Bewaffnet mit Internetinformationen und einem
unentfaltbaren Falkplan sowie mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel
erreichte ich in kurzer Zeit das Ziel. Dieses in fast allen Stadtführern
als Landschaftsschutzgebiet aufgeführte Gelände liegt in der
erwähnten Elbschleife im Dresdener Vorort Friedrichstadt und wird
heute vom neu gestalteten Messegelände, den Hafenanlagen und weitläufigen
Sportanlagen zur Innenstadt abgegrenzt (Karte, Abb.1). Das Gelände
ist etwa 2 Quadratkilometer groß. |
Nach Internet-Informationen (aus dem Jahr
2001): “Das Große Ostragehege war schon im 19. Jahrhundert ein beliebtes
Naherhohlungsgebiet der Dresdner Bürger und diente bis zum 18. Jahrhundert
als kurfürstliches Jagdgebiet…“ erwartete ich also ein weitläufiges
Parkgelände mit Alleen, Laubwaldanteilen und natürlich Parandra-Linden!
Als ich jedoch aus dem Stadtbus stieg, der vor dem neuen Messeanlagen hält,
zeigte sich, was Dresdner Stadtplanung aus diesem Gelände gemacht
hat. Das Gesamtgebiet besteht aus einem riesigen sterilen Parkplatz für
Messebesucher und, getrennt durch eine Brücke, aus einem umgepflügten,
vegetationslosen Auffangbecken für Elbhochwässer (Karte,Abb.1).
Die für die Entwicklung von Parandra notwendigen Laubbäume waren
bis auf wenige Restbestände verschwunden. |
Abb.
1: Karte
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Ohne grosse Hoffnung auf Beobachtungserfolg
machte ich mich auf den Weg die kümmerlichen Rest-Baumbestände
zumindest kurz zu überprüfen. So konnte ich ältere Linden,
den Lieblingsbaum Parandras, entlang der Abzäunung zum Hafengelände
untersuchen (Hafenweg, Karte,Abb.1). Auf einer Strecke von 1 km haben etwa
30 mittelalte Linden entlang des Hafenwegs die Abholzung überlebt.
Lediglich ein Baum zeigte, allerdings in unzugänglicher Höhe,
eine durch Blitzschlag entstandene Stammverletzung, die als typisch für
die Besiedlungsorte von Parandra genannt werden. Am Ende des Hafengeländes
biegt eine kümmerliche Restallee aus Linden (ca.40 Bäume) ins
Wiesengelände ab. Lage und Zustand der Bäume lassen für
die Zukunft dieses letzten Bestandes Schlimmes befürchten! Eine kurze
Untersuchung sollte den Abschluss meiner bisher so negativen Exkursion
bringen.
Abb. 2:
Parandra
brunnea (F.) - Weibchen.

Dann die freudige Überraschung am ersten,
wirklich interessanten Baum der Allee, einer in Kopfhöhe anbrüchigen,
ca.60jährigen Linde. Aus einem kleinen Stammloch, fielen mir nach
leichtem Klopfen gleich mehrere Flügeldecken von Parandra in die Hände
- Parandra gibt es also wirklich! Bei genauerer Untersuchung zeigte sich,
dass der Baum eine gut erreichbare Stammhöhle aufwies, die mit Mulm
reichlich gefüllt, ideale Entwicklungsbedingungen für Parandra
bot. Mit Taschenmesser und beiden Händen bewaffnet konnte ich grössere
Mulmmengen entnehmen und auf dem Boden in Ruhe untersuchen (alles Material
wurde übrigens später so gut es ging wieder zurückverfrachtet!).
Ein Umstand, der die entomologische Analyse
an diesem Ort auch erheblich erleichtert hat, soll nicht unerwähnt
bleiben: Während der gesamten Untersuchungszeit (ca.2 Stunden) konnte
ich in aller Ruhe den für Aussenstehende ja so ungewöhnlichen
Tätigkeiten (Mulm raus,Nase drüber usw.) nachgehen, da dieses
„Naherhohlungsgebiet“ in diesem Bereich für die Dresdener Bevölkerung
verständlicherweise uninteressant geworden ist. Bis auf zwei Radfahrer
und einige Brombeersammler in der Ferne konnten anthropomorphe Lebewesen
nicht beobachtet werden. Wie anders hätte wohl die Untersuchung in
den anderen klassischen Fundgebieten Dresdens (Großer Garten, Zwingeranlagen)
ausgesehen?
Abb. 3:
Parandra brunnea
(F.) - Weibchen.

Zurück zu Parandra – nach intensiver
Nachsuche im Mulm und in der Stammhöhle, die durch niedrigwachsende
Äste auch direkt von aussen eingesehen werden konnte, konnte ich ein
beachtliches Beobachtungsergebnis konstatieren: Neben zahlreichen Parandra
– Resten, Elytren, Extremitäten etc., konnten 12 Exemplare der diesjährigen
Generation beobachtet werden. Die Haupterscheinungszeit schien aber schon
dem Ende entgegegnzugehen, da viele Tiere nur noch schwache Bewegungen
zeigten und wohl kurz vor dem Absterben standen. Die aktiven Käfer
zeigten keinerlei Flugverhalten, waren aber nach kurzer Starre erstaunlich
flink! Zwei der aktivsten Tiere wurden für Aufnahmen ausgewählt.
Ein kleineres Weibchen (Fotos, Abb.2, 3) überlebte ohne Nahrungsaufnahme
14 Tage! Die beobachteten Tiere zeigen, wie in der Literatur angegen, erhebliche
Grössenunterschiede: Das grösste Männchen maß von
der Kieferzangenspitze bis zum Elytrenende stolze 23 mm, das kleinste Weibchen
nur 13 mm! Die Aufnahmen sind von Frank Köhler angefertigt,
wofür ich ihm herzlich danke! |
Bei der Mulmanalyse
konnte noch eine interessante, typische Begleitfauna festgestellt werden:
Neben mehreren Quedius-Arten (u.a. fuliginosus, mesomelinus, truncicola)
wurden Brachygonus megerlei und Allecula rhenana beobachtet. Außer
dieser Befallsstelle konnte ich Parandra brunnea in derselben kleinen Allee
noch an einer weiteren Linde feststellen. Allerdings war dieser Baum schon
abgestorben, rindenlos und stark von Ameisen besiedelt. Auf ein weiteres
Vorkommen kann nur indirekt geschlossen werden, da die schon erwähnte
große Linde am Hafenzaun den umfangreichen Bruchspiegel in nicht
zugänglicher Höhe aufwies. Aussehen und Struktur dieser Stammverletzung
legen aber ein weiteres Vorkommen von Parandra brunnea nahe!
Weitere Dresdener Fundorte konnte ich leider
nicht mehr aufsuchen. Also kommt Parandra brunnea auch heute noch in Dresden
vor, an geeigneten Stellen in stabiler Population! Für die Zukunft
muß allerdings befürchtet werden, dass diese schöne Art,
die absolut ungefährlich für gesunde Bäume ist, mehr und
mehr verschwindet. Die angesprochenen großflächigen Umstrukturierungen
der Innenstadt, sowie „Pflegemaßnahmen“ in Parks und Grünanlagen
(Sanierung stammkranker Bäume, Versiegelung, Abholzung etc.) sorgen
für eine rasch zunehmende Einschränkung der Lebensbedingungen
von Parandra brunnea. Die Bäume im Großen Garten und weiteren
Parks der Dresdener Innenstadt zeigeten jedenfalls bei flüchtiger
Betrachtung (mehr Zeit war leider nicht!), keine geeigneten Parandra –
Entwicklungsstellen. |
Quedius
truncicola
Brachygonus megerlei
Allecula rhenana
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Die Isolation vom Ursprungsort (Nordamerika)
hat in den dazwischenliegenden 30 – 40 Generationen nach Vergleichen mit
Tieren aus Canada zu keinerlei exoscelettalen Veränderungen geführt.
Dies wäre eventuell zu erwarten gewesen, da die Besiedlung sicher
von nur ganz wenigen Gründerindividuen ausging. Populatiosgenetisch
liegt bei einem solch kleinen Genpool, mangelnder Austauschmöglichkeit
und fortlaufender Inzucht eine rasche Etwicklung zu einer auch morphologisch
differenzierten Subspezies nahe! Hier wäre eine genetische Analyse
sicher interessant! Es wäre schön wenn diese Zeilen (wie auch
schon Horion 1974 anregte!) Anlass geben würden Parandra brunnea einmal
im Gesamtbestand zu erfassen und auch die Umgebung Dresdens miteinzubeziehen.
Die Laubwaldgebiete der sächsischen Schweiz und die Naturschutzgebiete
in der Nähe Dresdens bieten, wie ich selbst feststellen konnt, mit
jeder Menge Totholz, ideale Entwicklungsmöglichkeiten für
diese Art. |
Literatur
Freude, Harde, Lohse; Die
Käfer Mitteleuropas,Krefeld, 1966, Bd.9, S.10.
B. Klausnitzer, F.Sander;
Die Bockkäfer Mitteleuropas, Die Neue Brehm-Bücherei, Wittenberg,
1978.
A. Horion, Faunistik der
Mitteleuropäischen Käfer, Überlingen 1974, Bd.12, Cerambycidae,
S.1.
H. Nüßler, Die
Bockkäfer der Umg.von Dresden, 1964/74, Faun.Abh. (MTD), Heft 4, S.169-187.
Zitat
Katschak, G. (20045)::Anmerkungen
zum heutigen Vorkommen von Parandra brunnea (F.) im Stadtgebiet
von Dresden (Coleoptera, Cerambycidae). - Mitt. Arb.gem. Rhein. Koleopterologen
(Bonn) 14, 9-13. |
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