Hydrochus
megaphallus neu für die Rheinprovinz |
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Hydrochus megaphallus
VAN BERGE HENEGOUWEN, 1988 –
Neu für die Rheinprovinz
(Col., Hydrochidae)
JONAS
KÖHLER
Kurzfassung: Der Erstnachweis
von Hydrochus megaphallus für das Rheinland im Worringer Bruch
bei Köln wird vorgestellt und diskutiert. Abstract: The first
record of Hydrochus megaphallus for the Rhineland, found in the
Worringer Bruch near Cologne, is presented and analysed.
Am 15.04.2009 wurden am Rande der Naturwaldzelle
Worringer Bruch bei Köln-Worringen zehn Exemplare von Hydrochus
megaphallus (Abb. 1) gefunden. Die Tiere wurden mit einem Küchensieb
aus einem Graben und einem kleinen Tümpel gefischt. Beide Gewässer
befanden sich am Rande einer größeren Sumpffläche, die
von Rohrglanzgras dominiert wird, auf schwerem Auenlehm im Übergangsgebiet
zu einem Hybridpappelwald (Abb. 2). Örtlich haben sich hier auch kleinere
Seggenrieder entwickelt. Die Bestimmung erfolgte nach äußeren
Merkmalen (HEBAUER 1989). Zur Kontrolle wurden fünf Tiere genitalisiert,
wobei sich vier Männchen fanden, die sich durch das namensgebende
große Genital auszeichnen. Syntop fanden sich auch sieben Exemplare
von Hydrochus brevis, darunter zwei Männchen. Auch hier wurde
die Bestimmung durch eine Genitaluntersuchung abgesichert.
Abb. 1: Hydrochus megaphallus, Weibchen (links)
und Männchen.
Abb. 2: Der megaphallus-Fundort im Worringer
Bruch.
Der Worringer Bruch, ein nicht mehr durchflossener
und weitgehend verlandeter Altarm des Rheins, war im 20. Jahrhundert etlichen
anthropogenen Einflüssen ausgesetzt. Der Entwässerung durch ein
Grabensystem folgte eine Grundwassersenkung durch die Wassergewinnung für
Stadt und Industrie sowie eine Aufforstung mit Hybridpappel-Monokulturen.
Seit Ende der 1970er Jahre ist der Grundwasserspiegel stetig angestiegen,
so dass schon Mitte der 1980er Jahre viele der Pappelforste wochenlang
unter Wasser standen und abstarben (KÖHLER 1988). Im Jahr 1991 wurde
der Worringer Bruch als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Es sind verschiedene
Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen durchgeführt worden, wie
zum Beispiel ein Stopp der Entwässerung, die Verringerung des Pappelanteils
sowie die Duldung der natürlichen Sukzession in den Bruchwaldresten.
Heute präsentiert sich der zentrale Bereich des Bruchs weitgehend
gehölzfrei und steht weite Teile des Jahres unter Wasser (Abb. 3).
Abb. 3: Zentraler Bereich des Bruches bei Köln-Roggendorf
(IV.2009).
Insgesamt wurden im April 2009 bei der
ersten Exkursion 27 Käferarten mit dem Küchensieb in den zwei
untersuchten Kleingewässern nachgewiesen (Tab. 1). Bei einer
weiteren Nachsuche im April 2010 konnten sieben zusätzliche Arten
festgestellt werden, darunter der seltene Helophorus nanus, der
bereits 1930 im Worringer Bruch festgestellt wurde (KÖHLER 1988).
Nach Klausnitzer (1996) handelt es sich um einen Bewohner der Flussauen.
Tab. 1: Artenspektrum bei zwei Probenahmen im Hydrochus
megaphallus-Tümpel im Worringer Bruch.
Hydrochus megaphallus wurde erst
1988 von Hydrochus brevis (HERBST, 1793) abgespalten und unterscheidet
sich von diesem anhand von flacheren Halsschildeindrücken, die am
Rand punktiert sind, was vor allem zwischen den beiden Eindrücken
an der Halsschildbasis gut sichtbar ist (Abb. 4). Die Halsschildform ist
ein weiteres Unterscheidungsmerkmal. Die größte Breite findet
sich bei brevis sehr nahe dem Vorderrand, bei megaphallus
im vorderen Drittel. Die Punkte auf dem Halsschild sind bei brevis rund
und gut sichtbar getrennt und bei megaphallus runzelig und zusammenfließend.
Das verlässlichste Merkmal ist allerdings die Größe des
Aedoeagus (Nomen est omen!) (Abb. 5), welche bei brevis deutlich
geringer (ca. 0,5-0,6 mm) als bei megaphallus (ca. 1 mm) ausfällt
(HEBAUER 1989).
Abb. 4: Halsschild von Hydrochus
brevis (links) und megaphallus (rechts).
Abb. 5: Habitusansicht und Genitalien im Größenvergleich,
Hydrochus
brevis (links) und megaphallus (alle Fotos F. KÖHLER).
Hydrochus megaphallus soll nach
Beobachtungen aus den Niederlanden mehr oder weniger beschattete, eutrophe,
temporäre Teiche und Gräben auf Lehm in Flussgebieten bewohnen
(VAN BERGE HENEGOUVEN 1988). Auf den Fundort im Worringer Bruch trifft
diese Beschreibung ohne Einschränkung zu. Sowohl der Gaben, als auch
der Tümpel liegen zumindest einen Teil des Tages im Schatten und waren
bei einer erneuten Besichtigung des Gebietes Anfang November 2009 komplett
trocken gefallen. Der dichte Pflanzenwuchs lässt zudem auf eine Eutrophierung
schließen. Hydrochus brevis hingegen gilt als acidophile Art
(an)mooriger Gewässer und Bruchwälder. Die Art wird vor allem
in den rheinischen Moorgebieten gefunden und kommt beispielsweise auf der
Ville bei Bornheim zahlreich in temporären Waldgewässern auf
alten Niedermoorstandorten und in Eichen-Hainbuchen-Wäldern vor.
Das Typusexemplar
stammt aus den Niederlanden (VAN BERGE HENEGOUWEN 1988). Zudem führt
die Fauna Europaea
Funde aus Großbritannien, Belgien, Österreich, Ungarn, Rumänien,
Tschechien, Polen, Norwegen, Schweden, Finnland und Estland auf. GEREND
(2003) kennt Hydrochus megaphallus von einem Fundort in Luxemburg.
TELNOV (2009) nennt zwei Funde für Lettland aus dem Jahr 2005. Auch
für Weißrussland (MOROZ et al. 2004), sowie Frankreich (QUENEY
2009), wird die Art neuerdings aufgeführt. Außerdem wird die
Käferart in der Liste wirbelloser Wasserbewohner der Slowakei
geführt. Darüber hinaus nennt HANSEN (1999) Funde aus Slowenien
und der Türkei. Aus Ungarn sind mindestens fünf Funde bekannt
(CSABAI et al. 2004, CSABAI et al. 2007).
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Abb. 6: Verbreitung von Hydrochus
megaphallus in Europa. |
In Deutschland gibt es Funde aus Bayern, Sachsen-Anhalt,
Brandenburg, Schleswig-Holstein und dem Niederelbegebiet (KÖHLER &
KLAUSNITZER 1998). Ein Neufund gelang für Mecklenburg-Vorpommern auf
Rügen (WEIGEL & WOLF 2001). Aufgrund der bislang vorliegenden
Angaben lässt sich erschließen, dass die Art den Mittelmeerraum
weitgehend meidet und im übrigen Europa überall selten bis sehr
selten ist.
In der Roten Liste der Wasserkäfer
Brandenburgs wird die Art als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. In Schleswig-Holstein
wird Hydrochus megaphallus als „potentiell gefährdet“ geführt
(ZIEGLER & SUIKAT 1994). In Sachsen-Anhalts Roter Liste der Wasserkäfer
erhält sie den Status „gefährdet“ (SPITZENBERG 2004). In
Bayern gilt die Art als „stark gefährdet“ (HEBAUER et al. 2003), so
auch allgemein in Deutschland (HESS et al. 1999). Die erste Einschätzung
von HEBAUER (1989), Hydrochus megaphallus sei in Mitteleuropa „vermutlich
weiter verbreitet und häufiger […] als brevis“ kann auf Grund
der Datenlage nicht geteilt werden. Dementsprechend wird Hydrochus brevis
in Deutschland als „nicht gefährdet“ geführt (HESS et al. 1999).
KÖHLER (1991) fand bei einer Revision
rheinischer Hydrochiden-Belege unter Hydrochus brevis (115 revidierte
Ex.) keinen Hydrochus megaphallus. Dass die Art aber sicher nicht
im Rheinland fehlen wird, vermerkte er damals schon. Eine erneute Durchsicht
alten und neuen Sammlungsmaterials zeigt nun, dass drei weitere Fundorte
für Hydrochus megaphallus nach-zutragen sind: Venusberg bei
Bonn,
F. Rüschkamp, 12.IV.1930, 1 Ex. (MKB) – Worringer Bruch bei Köln,
Appel, 14.IV.1956, 1 Ex. (Genital, MKB) – Rietmaar bei Bornheim-Rösberg,
23.III.1988, 2 Ex. (MKB, coll. F. KÖHLER), 20.III.1988, 1 Ex. und
30.XII.1988, 1 Ex. (coll. F. KÖHLER) – Lank, Walldorf, 17.VI.1954,
2 Ex. (MKB). Auffällig ist, dass Hydrochus megaphallus auch
auf dem Venusberg bei Bonn und auf der Ville bei Bornheim gemeinsam mit
Hydrochus
brevis vorkommt.
Literatur
BERGE HENEGOUWEN, A. van (1988):
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Zitat:
KÖHLER,
J. (2009): Hydrochus megaphallus VAN BERGE HENEGOUWEN, 1988
– Neu für die Rheinprovinz (Col., Hydrochidae). - Mitteilungen der
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19, im Druck. |
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