Bruchidius imbricornis – neu für die Rheinprovinz

Bruchidius imbricornis (PANZER, 1795) – neu für die Rheinprovinz, nebst weiteren bemerkenswerten Arten aus einer Kiesgrube in Köln (Col., Bruchidae)

Thomas Hörren

Abstract: The seed beetle Bruchidius imbricornis (PANZER, 1795) has been firstly recorded from an aggregate of gravel pits near Cologne for the Rhineland, Germany. The finding is dicussed and other notable findings are listed.

Einführung

Am Rande des Kölner Stadtteils Porz-Gremberghoven befindet sich nördlich des S-Bahnhofs „Frankfurter Straße“ ein Industriegebiet mit einem Komplex aus, einer aktuell genutzten und zwei bereits gefluteten, Kiesgruben, welche zu Entsorgungsgesellschaften gehören (MTB 5008, Köln-Mülheim). Besonders bemerkenswert sind hier wohl zwei von Menschenhand geschaffene Sandbrachen. Zum einen eine inoffizielle, regelmäßig genutzte Motocross-Fläche im Norden und zum anderen eine intakte Kiesgrube im Südosten mit unterschiedlichsten Ruderalflächen, welche unre-gelmäßig durch Aufschüttung und Abtragung von Sand und Bauschutt oder Durchfahren mit Großbaufahrzeugen offen gehalten werden. Diese beiden Flächen weisen durch die ständige Beeinflussung kurzlebige Sukzessionsstadien auf und beherbergen eine kleinflächig unterschiedliche Ruderalflora. Westlich und nordöstlich finden sich zwei geflutete ehemalige Kiesgruben, die heute zum Angeln an einen Verein verpachtet sind und von jungen Pionierwaldstrukturen umgeben sind. Es dominieren dort vor allem Weiden, untermischt mit Esche, Birke und anderen Laubgehölzen, aber auch kleinen Fichtenbeständen. Übergänge zu den Sandbrachen sind meist stark mit Brombeere bewachsen. 


Abb. 1: Bruchidius imbricornis, Männchen, Originalbeleg (Foto: Verf.).

Nachweis

Am 12. Juni 2010 konnte ich im nördlichen Bereich der intakten Kiesgrube zwei Männchen (Abb. 1) und ein Weibchen der mediterranen Samenkäferart Bruchidius imbricornis nachweisen. Die Tiere wurden in Begleitung von Bruchidius varius (OLIVIER, 1795) und Bruchidius villosus (FABRICIUS, 1787) von Fabaceen und Matricaria-Blüten gekeschert (-> Fundort). 

Die Datenbank der FAUNA EUROPAEA führt die Art für Deutschland, Tschechien und Dänemark als fraglich, für Belgien, Luxemburg, Frankreich, die Schweiz und Österreich als gesichert auf. REITTER (1912) aber schreibt schon „im südlichen Teile Deutschlands, auf Blüten“. KÖHLER & KLAUSNITZER (1998) melden die Art mit alten Nachweisen aus Württemberg (vor 1900) und Bayern (vor 1950). Mittlerweile konnte die Art wieder in Bayern und Baden-Württemberg nachgewiesen werden (KNAPP & RHEINHEIMER 2010, SCHMIDL et al. 2005).

FRANZEN (1991) führt für die Großstadt Köln Bruchus rufipes und luteicornis, Bruchidius villosus (fasciatus) und Acanthoscelides obtectus auf, KOCH (1968) meldet noch Importe von Zabrotes subfasciatus. Mit Bruchidius imbricornis und varius, steigt die Zahl der nachgewiesenen Samenkäfer in Köln auf nunmehr neun Arten.

Weitere bemerkenswerte Funde
Biphyllus lunatus (FABRICIUS, 1787) (Biphyllidae – Rote Liste Deutschland 1): Ein Exemplar der aktuell in Deutschland nur vom Nordrhein bekannten Art, wurde am 12. Mai 2010 im jungen Wald oberhalb der westlichen, ge-fluteten Kiesgrube in Gesellschaft mit der Salpingide Vincenzellus ruficollis von einer toten, verpilten Weide geklopft. Eine Entwicklung der Art vor Ort ist wahrscheinlich, da junge, teils tote Eschen vorhanden sind, wenn auch keine Baumschwämme der Gattung Daldina aufgefunden werden konnten.
Anaspis costai EMMERY, 1876 (Scraptiidae – RL D 3): Ein Männchen der, im nördlichen Rheinland, seltenen Art konnte ich am 12. Mai 2010 am jungen Waldrand oberhalb der westlichen, gefluteten Kiesgrube von Weißdorn klopfen. Die Absicherung der Art sollte stets genitaliter erfolgen.
Oxythyrea funesta (PODA, 1761) (Scarabaeidae), weitere Nachweise für Nordrhein, der in Ausbreitung begriffenen Cetoninae: Die Art konnte bei Begehungen von Juni bis Augsut 2010 häufig bis sehr häufig auf Distel- und Brombeerblüten nachgewiesen werden. Der Wiederfund und weitere Nachweise wurden erst kürzlich publiziert (JUNKER & KÖHLER 2010).
Oberea pupillata (GYLLENHAL, 1817) (Cerambycidae – RL D 3), dritter Nachweis nach 1950 und nördlichster Fund in Nordrhein: Ein Exemplar wurde am 12. Juni 2010 am Rand des Motocross-Geländes von Lonicera geklopft, in zahlreicher Begleitung von Agrilus cyanescens RATZEBURG, 1887. Bisher nur Nachweise aus Umgebung von Bonn und der Sieg, kein Nachweis der Art aus der Kölner Bucht (BAUMANN 1997). Es scheint wohl möglich, dass die Art an weiteren Wärmestellen vorkommt.
Bruchela suturalis (FABRICIUS, 1792) (Syn. Urudon suturalis, Anthribidae, Urodoninae): Eine Art besonnter Ruderalstellen (RHEINHEIMER & HASSLER 2010), sie konnte im Juni und Juli 2010 stets in Anzahl auf Gelbem Wau, Reseda lutea LINNAEUS, nachgewiesen werden. Meist in Gesellschaft mit Bruchela rufipes (OLIVIER, 1790), aber wesentlich seltener und stets an offenstehenden Pflanzen. Bruchela suturalis konnte ich ebenso auf ungenutzten Bahnhofsflächen im Kölner Stadtgebiet nachweisen.
Abb.: weitere seltene Arten (Fotos: Käfergalerie,
Dobler-Groß, Köhler, Ühlinger, Weisenböhler).

Diskussion

Aufgrund fehlender Nachweise stuft KIPPENBERG (2003) Bruchidius imbricornis in der Roten Liste für Bayern als ausgestorben oder verschollen ein. Diesen Status erhielt die Art auch schon von GEISER (1998) für die Bundesrepublik. Den deutschen Wiederfund melden SCHMIDL et al. (2005) aus Bayern, dem ein weiterer Nachweis in Baden folgte (KNAPP & RHEINHEIMER 2010). Faunistisch umso interessanter ist nun der Nachweis in Nordrhein. Eine Einwanderung der Wärme liebenden Art über den Oberrheingraben ist wahrscheinlich, aber auch über Luxemburg (Mosel) und Belgien denkbar. Weitere Funde an ähnlichen Wärmestandorten sind künftig sowohl bei uns, als auch in benachbarten Regionen zu erwarten.

Der Name imbricornis setzt sich aus imbrex oder imbricis, also Hohlziegel und córnu, Horn oder Fühler, zusammen (SCHENKLING 1917) und deutet so auf die auffälligen, gesägten gelbroten Fühler der Art hin. Als Entwicklungspflanze wird die Geißraute Galega officinalis LINNAEUS oder deren Synonym Galega bicolor angegeben (BÖHME 2002, KOCH 1992). Fraglich ist bisher, ob auch Genista-Arten angenommen werden. Am Fundort der Art konnte ich im Nachhinein sowohl die Geißraute als auch eine Genista-Art nachweisen.

Der Neunachweis und die bemerkenswerten Arten zeigen, dass die Kiesgruben am Nordrhein interessante thermophile Faunenelemente beherbergen. Ähnlich sieht es auch mit den strukturell vergleichbaren Tagebauen aus, sie sorgten schon als Exkursionsziele der Arbeitsgemeinschaft in der Vergangenheit für rheinische Erstnachweise (vgl. KÖHLER 1988, 1989). Hier sei auch WOLFGANG RICHTER aus KLAUSNITZER et al. (2009) zitiert: „Die Tagebaufolgelandschaften und Truppenübungsplätze sind ein idealer Standort für viele Fabaceae, in denen sich Bruchidae entwickeln. Eine ge-zielte Suche dürfte zu Neufunden führen...“, Anlass dazu war der Neufund von Acanthoscelides pallidipennis (MOTSCHULSKY, 1874) für Sachsen im Jahr 2005. 

Aufgrund der Verwechlungsmöglichkeit sollten auch Exemplare des aus Süden zugewanderten und mittlerweile vielerorts häufigen Bruchidius varius stets überprüft werden, da diese Art auch mit gelben Fühlern vorkommen kann, darauf weißt auch BAUGNÉE (2005) hin. Beispiele für die Variationsbreite von Bruchidius varius zeigt CLAUDE SCHOTT auf seiner Internetseite (http://claude.schott.free.fr) mit Abbildungen der elsässischen Bruchiden. Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass Weibchen von Bruchus imbricornis aufgrund sehr dunkler, eher braungelblichen Fühler in vielen Fällen die Determination ohne Kenntnis der Art erschweren.

Dank: Für die Überlassung eines weiblichen Vergleichstieres aus Ungarn danke ich Dr. KLAUS RENNER (Bielefeld), für die Überprüfung der Determination FRANK KÖHLER (Bornheim).

Literatur
  • BAUGNÉE, J. Y. (2005): Observations récentes de Bruchidius varius (OLIVIER, 1795) (Coleoptera: Bruchidae) en Belgique. – Notes fauniques de Gembloux 55: 1.
  • BAUMANN, H. (1997): Die Bockkäfer (Coleoptera, Cerambycidae) des nördlichen Rheinlandes. - Decheniana-Beiheft (Bonn) 36:13–140.
  • FAUNA EUROPAEA (2011): Fauna Europaea version 2.4. Web Service available online at http://www.faunaeur.org. Zugriff am 20.10.2011
  • FRANZEN, B. (1992): Untersuchungen zur Käferfauna an ausgewählten Standorten in Köln (Insecta: Coleoptera). – Decheniana-Beihefte (Bonn) 31, 181–216.
  • GEISER, R. (1998): Rote Liste der Käfer (Coleoptera),  in: BINOT, M., BLESS, R., BOYE, P., GRUTTKE, H. & PRETSCHER, P. (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. – Schriftenreihe Landschaftspflege und Naturschutz (Bonn-Bad Godesberg) 55: 168–230.
  • JUNKER, M. & F. KÖHLER (2010): Zweiter Nachtrag zur Käferfauna (Coleoptera) der Grafschafter Krautfabrik in Meckenheim/Rheinland. – Mitt. Arbgem. Rhein. Koleopterologen (Bonn) 20, 27–38.
  • KLAUSNITZER, B. (1993): Ökologie der Großstadtfauna. 2. bearb. Auflage. Jena & Stuttgart. 225 S.
  • KNAPP, H. & J. RHEINHEIMER (2010): Ergebnisse der Exkursion der Arbeitsgemein-schaft südwestdeutscher Koleopterologen in die nördliche Oberrheinebene 2006. – Mitteilungen des Entomologischen Vereins Stuttgart (Stuttgart) 45, 91–132.
  • KOCH, K. (1968): Käferfauna der Rheinprovinz. – Decheniana-Beihefte (Bonn) 13: I-VIII, 1–382.
  • KÖHLER, F. (1988): Exkursionsbericht Tagebau Fortuna/Bergheim 07.05.1988. – Rundschreiben der Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen (Bonn) 1988: 21–26.
  • KÖHLER, F. (1989): Die Exkursionen in den Tagebau Ville am 2.7. und 17.9.88. – Rundschreiben der Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen (Bonn) 1989: 1–16.
  • KÖHLER, F. & B. KLAUSNITZER (Hrsg.) (1998): Verzeichnis der Käfer Deutschlands. – Entomologische Nachrichten und Berichte (Dresden) 4: 1–185.
  • SCHENKLING, S. (1917): Erklärung der wissenschaftlichen Käfernamen aus Reitter’s Fauna Germanica. Lutz-Stuttgart. 80 S.
  • REITTER, E. (1912): Fauna Germanica. Die Käfer des Deutschen Reiches. Band IV. – Stuttgart.
  • RHEINHEIMER, J. & M. HASSLER (2010): Die Rüsselkäfer Baden-Württembergs. Naturschutz-Spectrum. Themen 99. verlag regionalkultur. Karlsruhe. 994 S.
  • SCHMIDL, J., H. BUSSLER & H. FUCHS (2005): 22. Bericht der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Koleopterologen. – Nachrichtenblatt der bayerischen Entomologen (München) 54, 21–29.
  • Zitat: HÖRREN, TH. (2011): Bruchidius imbricornis (PANZER, 1795) – neu für die Rheinprovinz, nebst weiteren bemerkenswerten Arten aus einer Kiesgrube in Köln (Col., Bruchidae). - Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen (Bonn) 21, im Druck.