Lasioderma serricorne in Verpackungschips

Der Tabakkäfer Lasioderma serricorne (FABRICIUS, 1792) in Verpackungschips - Anmerkungen zu einem ungewöhnlichem Entwicklungssubstrat 
(Coleoptera, Anobiidae)

Jens Esser
 
Ein ungewöhnliches Entwicklungssubstrat für den Tabakkäfer Lasioderma serricorne (FABRICIUS, 1792) konnte in Form von Verpackungsmaterial beobachtet werden. Das Verpackungsmaterial, sogenannte Verpackungschips, besteht zu hundert Prozent aus geschäumtem Maisgries. Sie dienen ebenso wie die Verpackungschips aus Polystyrol der Abpolsterung von Waren während des Versandes. Als komplett biologisch abbaubar haben die Verpackungschips aus Mais einen breiten Zuspruch gefunden (vgl. a. Wirtschaftswoche 27/2001, Wirtschaftsspiegel 1/2005).
Abb. 1: Lasioderma serricorne (F.), der Tabakkäfer 
(Foto: K. Iftikhar / wikipedia.com).

Nicht selten findet der Koleopterologe solche Chips auch in Päckchen vor, in denen ihm Käfer zugesandt werden – in der Regel präpariert, etikettiert etc. Im vorliegenden Fall kamen unbemerkt auch lebende Käfer mit ins Haus. Wenige Tage nach der Zustellung – das Päckchen lagerte mit samt Verpackungschips mit anderen Päckchen zusammen auf einem Schrank und wartete auf einen neuen Einsatz – zeigten sich erste Exemplare von Lasioderma serricorne. Da es sich immer nur um Einzeltiere handelte, die zudem eingesammelt wurden, bestand erst einmal kein Grund zu Sorge und es blieb unklar, wo die Quelle zu suchen sei. Die anfängliche Freude über einige Belegexemplare der Art wich mit dem Auftreten weiterer Exemplare schnell der Sorge. Immerhin traten die Tiere bevorzugt in jenem Bereich des Wohnungsflures auf, in dem ein Sammlungsschrank steht (auf welchem die Päckchen lagern). Nagten die Lasioderma-Larven gar in kostbaren Käfern? 

Ein Geistesblitz führte dazu, dass ein Zusammenhang mit den lagernden Päckchen auf dem Sammlungsschrank bestehen könnte. Die Untersuchung aller Päckchen brachte dann die Erkenntnis: eine stolze Population des Tabakkäfers kam zum Vorschein. In den etwas hyalin wirkenden Chips, die man vielleicht besser als wurst- oder bohnenförmig denn als Chips bezeichnet, waren die rotbraunen Käfer selbst tief im Inneren gut auszumachen. Zahlreiche Ausfluglöcher zeugten schon vom regen Treiben der Tiere. Das Verpackungsmaterial erinnert stark an die zum Verzehr bestimmten Erdnussflips (die auch auf Maisbasis hergestellt werden), sind nur größer, heller, fettfrei und ungewürzt, haben aber auch die blasige Struktur, die vom Aufschäumen herrührt. Derartige Strukturen bieten den Mandibeln von Lasioderma serricore keinerlei Widerstand.
Abb. 2: Verpackungsmaterial aus Maisgries.

Der Reiz dürfte für den Käfer neben dem nahrhaften Aspekt des Substrats in den ungeahnten Möglichkeiten sowohl des nationalen als auch internationalen Versands liegen – die Globalisierung macht auch vor Käfern nicht halt! Laut WEIDNER (1993) bzw. FRITZSCHE & KEILBACH (1994) entwickelt sich Lasioderma serricorne neben Tabakprodukten in allen möglichen Pflanzenprodukten i. w. S. und selbst in tierischen Produkten. Ich selbst kenne den Tabakkäfer aus so unterschiedlichen Substraten wie zu Dekorationszwecken gelagerten trockenen Rosenblüten, Reis oder Milchkaffeepulver. Für den Nachwuchskoleopterologen gibt es übrigens auch noch „Playmais“ (Spielmais): ein ähnlich geartetes Produkt, bunt eingefärbt mit Lebensmittelfarben und durch leichte Befeuchtung zu allerlei Gebilden zusammenbaubar. Ein Muss in der Nachwuchsarbeit eines jeden Entomologenverbandes.

Literatur

FRITZSCHE, R. & R. KEILBACH (1994): Die Pflanzen-, Vorrats- und Materialschädlinge Mitteleuropas. Gustav Fischer Verlag, Jena: 213.
WEIDNER, H. (1993): Bestimmungstabellen der Vorratsschädlinge und des Hausungeziefers Mitteleuropas. Gustav Fische Verlag, Stuttgart: 145.
Zitat: Esser, J. (2009): Der Tabakkäfer Lasioderma serricorne (FABRICIUS, 1792) in Verpackungschips - Anmerkungen zu einem ungewöhnlichem Entwicklungssubstrat (Coleoptera, Anobiidae). - Mitt. Arb.gem. Rhein. Koleopterologen (Bonn) 19, im Druck.